Birmas Militär kassiert beim Wandel: Hilfsorganisation finanziert Exgeneral
Die Empörung ist groß: Internationale Organisationen zahlen an die Familien früherer Juntageneräle hohe Mieten für Büros und Villen.
BERLIN taz | Auf dem Immobilienmarkt in Birmas Hafenmetropole und Exhauptstadt Rangun (Yangon) herrscht Goldgräberstimmung. Seit das von der früheren Militärjunta in Myanmar umbenannte Land sich seit 2011 zu reformieren begann, strömen Touristen, Geschäftsleute, internationale Hilfsorganisationen und Stiftungen in die Stadt.
Weil zur Zeit westlicher Sanktionen kaum gebaut wurde, sind heute Büroräume und repräsentative Villen knapp und sehr teuer. Laut der Wirtschaftsagentur Bloomberg liegen die Büromieten sogar über denen von New York.
Birmas renommiertes und einst von Exilanten gegründetes Onlinejournal Irrawaddy hat nachgeschaut, wer davon profitiert, und Empörendes entdeckt. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef zahlt für sein 3.000 Quadratmeter großes Bürogebäude im Viertel Golden Valley 87.000 US-Dollar Monatsmiete an die Familie des Exjuntagenerals Nyunt Tin.
Sein Name stand einst auf der Sanktionsliste der US-Regierung. Er war bis 1997 Befehlshaber der Region Irrawaddy und danach Minister für Landwirtschaft und Bewässerung. 2004 wurde er in einem juntainternen Machtkampf wegen Korruption und Machtmissbrauch entlassen und unter Hausarrest gestellt.
General stand auf US-Sanktionsliste
Unicef bestätigte inzwischen die Essenz des Berichts. Laut dem Hilfswerk sei die Miete noch günstig, auch habe man nichts Preiswerteres finden können. Das Gebäude gehöre nicht dem General, sondern einem weiblichen Mitglied seiner Familie. Der General selbst habe heute keine offizielle Funktion mehr. Auch seien keine Klagen gegen ihn bei Gericht anhängig.
Das Büro der Weltgesundheitsorganisation WHO, das u.a. Impfkampagnen koordiiert, zahlt 79.000 Dollar im Monat an Armeechef Min Aung Hlaing. Er erhalte damit über ein Zehntel des gesamten WHO-Jahresbudgets für Birma, berichtete der birmesische Dienst des US-Senders Radio Free Asia.
Laut einem von Irrawaddy zitierten WHO-Vertreter gehöre dieses Gebäude jedoch auch einer Frau. Und die Miete sei zwar teuer, doch ganz im Rahmen der UN-Richtlinien.
"Die meisten Häuser in besseren Gegenden gehören Generälen"
Von Irrawaddy befragte Aktivisten räumten ein, dass es schwierig nachzuverfolgen sei, wer wirklich hinter den formalen Eigentümern stehe. „Die meisten Häuser in Raguns besseren Gegenden gehören nun einmal früheren Generälen und ihren Günstlingen“, sagt Kyaw Lin Oo von der Myanmar People Forum Working Group.
Internationale Organisationen müssten darauf achten, dass sie mit ihren Mietzahlungen nicht genau die Arbeit unterminierten, wegen der sie eigentlich im Land seien, sagt ein anderer Aktivist.
Dieser Frage muss sich auch die EU stellen. Laut Irrawaddy ist die neue Residenz des EU-Botschafters in einer Straße, deren Häuser der Familie des 2002 verstorbenen Exdiktators Ne Win gehören. Für die Miete hätte eigens die Obergrenze der EU ausgesetzt werden müssen.
Die EU-Vertretung selbst ist in einem Bürokomplex der Firma Asia World. Sie gehört der Familie des 2013 verstorbenen Druglords und Tycoons Lo Hsing Han und soll ihm zur Geldwäsche gedient haben. Er schloss Frieden mit der Junta, die ihn die neue Hauptstadt Nayapyidaw mitbauen ließ.
Ein EU-Vertreter in Rangun dementierte gegenüber der taz den Bericht und kündigte eine Stellungnahme aus Brüssel an, die bis Redaktionsschluss nicht vorlag.
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