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MachtkampfGedrängel an den Futtertrögen

Die verfeindeten Spitzenfrauen der Hamburger FDP, Parteichefin Sylvia Canel und Fraktionsvorsitzende Katja Suding, streiten sich um Bürgerschaftsmandate.

Wer Parteifreunde hat, braucht keine Feinde mehr: Sylvia Canel. Bild: dpa

HAMBURG taz | Manchen geht die Selbstauflösung nicht schnell genug. Und deshalb arbeiten die beiden Spitzenfrauen der Hamburger FDP, Parteivorsitzende Sylvia Canel und Fraktionschefin Katja Suding, mit Elan an der Selbstzerfleischung. Anlass ist die Spitzenkandidatur für die Bürgerschaftswahl am 15. Februar nächsten Jahres, der Showdown ist terminiert für den Parteitag am 6. Juli. „Es geht um die Futtertröge“, sagt einer der Wenigen in der Partei, die als unabhängig gelten.

Das liberale Desaster bei den Wahlen am 25. Mai – Europawahl 3,7 Prozent, bei den Bezirksversammlungswahlen schafften die Liberalen es nur noch in fünf Bezirken über die Drei-Prozent-Hürde und ins Kommunalparlament – ist noch nicht aufgearbeitet, da wetzen die Lager der beiden verfeindeten Frauen schon die Messer.

„Eine Zusammenarbeit mit Frau Canel in einer Fraktion ist nicht möglich und nicht im Sinne der Partei“, sagt Suding. Von einem völlig zerrütteten Verhältnis ist die Rede, von Mobbing und Verleumdungen. Canel dürfe auf der Bürgerschaftsliste nicht antreten, sagt Suding, oder nur als Gegenkandidatin um den Spitzenplatz gegen sie: „Die Verliererin zieht sich zurück“, sagt Suding. Canel übt sich in Schweigen. „Ich werde über parteiinterne Angelegenheiten nicht in der Öffentlichkeit sprechen“, erklärt sie auf Anfrage der taz.

Beredter ist einer aus dem Umfeld Canels. „Ich gehe davon aus, dass die beiden sich einigen können“, sagt Burkhard-Müller Sönksen, bis zur Wahlniederlage im vorigen September ebenso wie Canel Mitglied des Bundestages. Suding sei auch für ihn „die unbestrittene Spitzenkandidatin“, versichert der Eimsbütteler Rechtsanwalt, aber ihr Versuch, „ein Wahlsystem zu einem K.o.-System zu machen, ist nicht statthaft“. Über Kandidaturen „entscheidet die Partei, nicht eine einzelne Person“.

KandidatInnenkür

Die Hamburger Parteien bereiten sich programmatisch und personell auf die Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 vor.

SPD: Auf einem Parteitag am 21. Juni wird Parteichef Olaf Scholz im Amt bestätigt. Zum Bürgermeister-Kandidaten gekürt wird er auf einem Parteitag Ende September.

CDU: Am 29. Juni nominiert der Landesvorstand den Fraktionschef in der Bürgerschaft, Dietrich Wersich, als Spitzenkandidaten.

Grüne: Am 5. Juli müssen die drei KandidatInnen für die Doppelspitze - Parteichefin Katharina Fegebank, Fraktionschef Jens Kerstan und der Abgeordnete Till Steffen - zu einem ersten "Speed-Dating" vor die Basis. Gewählt wird am 27. September.

Linke: Die Liste wird am 1. November aufgestellt, Fraktionschefin Dora Heyenn ist als erneute Spitzenkandidatin konkurrenzlos.

Suding habe das Recht, „ein Team zusammenzustellen“, sagt hingegen der Bürgerschaftsabgeordnete Wieland Schinnenburg. Die FDP müsse „jetzt überlegen, mit wem sie die besten Chancen auf einen Erfolg bei der Bürgerschaftswahl hat“, sagt Schinnenburg.

Suding hatte als Neuling die FDP 2011 nach sieben mageren Jahren in der außerparlamentarischen Opposition mit dem besten Wahlergebnis seit 37 Jahren zurück in die Bürgerschaft geführt. Als Fraktionschefin ist die 38-Jährige unumstritten. Bislang galt das auch für die erneute Spitzenkandidatur, für die das Mitglied des FDP-Bundespräsidiums auch die Rückendeckung von Parteichef Christian Lindner und Vize Wolfgang Kubicki hat.

Bei Sudings Versuch im April vorigen Jahres, auch Hamburger Parteivorsitzende zu werden, unterlag sie allerdings gegen Amtsinhaberin Canel. „Eine weibliche Doppelspitze“, hatte die 56-jährige Lehrerin betont, „ist doch etwas, worum uns jede andere Partei nur beneiden kann“.

Am Nachmittag des Pfingstmontags kamen die ersten Friedenssignale. Der Landesvorstand sprach sich nach einer Klausurtagung unter Moderation von Bundeschef Lindner für Suding als Spitzenkandidatin aus. Canel erklärte, bei der Bürgerschaftswahl „nicht für die Landesliste“ kandidieren zu wollen. Eine Hintertür aber bliebe ihr: Der Einzug ins Rathaus mit einem Direktmandat im bürgerlichen Wahlkreis 13 Alstertal – Walddörfer.

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1 Kommentar

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  • Die Artikelüberschrift könnte man eigentlich auf jede Partei anwenden wenn es um die oberen Listenplätze geht. Steht die Partei vor dem aus oder kurz davor gehts noch ne Spur zackiger zu. Frau Roth von den Grünen hatte damals auch so ein schönes Beispiel dafür geliefert, oder Frau Simones nach ihrer Abwahl als Ministerpräsidentin. Die mit anklagender Stimme fragte:"...und was wird jetzt aus mir..."