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Kommentar GreenpeaceToo green to fail

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Sonst ist Greenpeace so professionell: Die Schlamperei mit dem Geld ist schwer erträglich. Trotzdem muss man gerade jetzt weiter spenden.

Das Ausmaß an Stümperei überrascht: Greenpeace-Zentrale in Amsterdam. Bild: dpa

Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet und der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.“ An ihrem Slogan haben die „Regenbogenkrieger" von Greenpeace im aktuellen Finanzskandal nun schwer zu knabbern. 3,8 Millionen Euro haben sich in Luft aufgelöst, denn in der Buchhaltung ging es drunter und drüber. Und niemand hat die Gefahr gesehen.

Das Ausmaß an Stümperei überrascht in einer Organisation, die sonst so professionell arbeitet. Ihre wissenschaftlich fundierten Forderungen und Alternativen haben weltweit Debatten um Umwelt und Politik vorangebracht. Ihr Umgang mit den Medien ist erstaunlich effektiv und ihre Kunst, Politik und Politiker unter Druck zu setzen, wird von anderen NGOs gern kopiert. Da fällt die Wurschtigkeit, mit der Spendermillionen verbrannt wurden, sehr unangenehm auf.

Wohlgemerkt: Spenden, die zu über 90 Prozent von Normalbürgern kommen, wie Greenpeace immer gern betont. Da liegt die moralische Latte noch einmal höher als in Unternehmen, die im Zweifel das Geld ihrer profitorientierten Eigentümer in den Sand setzen.

Und dennoch: Trotz allen Zähneknirschens sollte niemand seinen Dauerauftrag für Greenpeace kündigen. Das Geld ist nicht wie bei Lehmann Brothers in einem irren Spekulationskarussell „verzockt“ worden, sondern wurde verloren, um Gefahren von Währungsschwankungen zu minimieren; niemand hat sich bereichert; und die Ökos werden sich nun sehr um Transparenz beim Geld bemühen.

Es hat sich eingebürgert, von Greenpeace als einem „globalen Umweltkonzern“ zu reden. Das stimmt, verzerrt aber die Relationen. Greenpeace ist ein Unternehmen, das mit gut 2.000 Angestellten weltweit, Millionen von Freiwilligen und einem Umsatz von nicht mal 300 Millionen Euro funktioniert. Dieser David legt sich mit Goliaths wie Shell oder Gazprom an, die jeder für sich mal eben bis zu hundertmal mehr Gewinn machen, indem sie die Umwelt zerstören.

Umso wichtiger ist es, das Geld für grüne Zwecke sorgsam zu hüten. Denn ohne ökonomische Rückendeckung ist die Bewahrung der Lebensgrundlagen aussichtslos. Greenpeace ist eine der richtigen und wichtigen Antworten der globalen Zivilgesellschaft auf den entfesselten Kapitalismus. Nicht umsonst trägt die Organisation neben dem „Grün“ auch noch den „Frieden“ einer gerechteren Welt im Namen.

Die Regenbogenkrieger haben mit dem Geld geschlampt, aber ihr Anliegen ist und bleibt überlebenswichtig. Eine Bank kann man pleite gehen lassen, es gibt viele andere. Aber Greenpeace wird noch dringend gebraucht.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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3 Kommentare

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  • Ich bin schon bisher nicht besonders euphorisch gewesen in Sachen Spenden für NGOs. Nach dieser Schlamperei bei Greenpeace bin ich es noch viel weniger.

     

    Meine Erfahrungen mit diversen NGOs in Sachen „Petition gegen Spekulation mit Nahrungsmitteln“ (2012, http://occupy-occupy.de) waren nicht motivierend. Immer wieder entstand der Eindruck, dass eine Zusammenarbeit mit einer Organisation wie uns, die keine Spenden annimmt, nicht gewünscht war. Innerhalb der in dieser Sache verbündeten NGOs konnte der Eindruck des Gerangels um die besten Plätze nicht verdeckt werden: Es handelt sich um einen Wettkampf um Spendengelder zwischen den verschiedenen NGOs.

     

    Dabei mag ich nicht mitmachen — auch wenn ich die Existenz solcher Nichtregierungsorganisationen asudrücklich befürworte und ihre Arbeit teilweise als wichtig einstufe. Jedoch ändert das nichts an den unzureichenden Finanzierungsmodellen, die auch in Zukunft zu Verwerfungen führen werden.

     

    Die Probleme liegen wie so häufig in der Organisation und den mangelnden Fähigkeiten mancher Aktivisten, die plötzlich Dinge machen müssen, die sie überfordern.

     

    -Frank J.

  • Ich habe bisher noch nirgends erklärt bekommen, warum Greenpeace deshalb nun unbedingt "Stümperei" vorgeworfen werden muss.

    Wäre es denn besser wenn dort Verhältnisse a la Schlangengrube voller geldgeiler Investoren herrschten?

     

    Dem Artikel würde ich noch hinzufügen, dass es bei der CDU die bewusste, mehrfache Veruntreuung von Spendengeldern in Millionenhöhe gab.

     

    Dennoch steigt die Höhe der erhaltenen Spenden, die die "Christdemokraten"-Kasse tüchtig klingeln lässt. Eine unbeirrte Spender-Haltung - zu blöd nur, dass das viele, viele Geld ausgerechnet an diese Partei geht ;-)

     

    Ich wünsche Greenpeace, dass es mit dem Vorfall "einmal und nie wieder" passiert ist, und dass sie auch in Zukunft ihre extrem wichtige und vertrauenswerte Arbeit machen und ausbauen können.