Kolumne Fußball-Wissenschaft: Drei Tage Eistonne
Den Deutschen steckt die Verlängerung vom Montag in den Knochen, Frankreich gewann schneller. Die Fitness muss aber nicht ausschlaggebend sein.
E s ist die Weltmeisterschaft der späten Tore. Viele Partien sind erst in den letzten Minuten entschieden worden. Im Achtelfinale dann gern auch in der Verlängerung. Manche Teams wie die Niederlande und Belgien scheinen es geradezu auf die Schlussoffensive abgesehen zu haben. Nach anfänglicher Zurückhaltung forcierten sie im letzten Drittel der Spielzeit ihre Anstrengungen.
Die Fitness wurde bereits vor der WM als spielentscheidende Variable sehr hoch gehandelt. Aufgrund der extremen klimatischen Bedingungen fällt es vielen Mannschaften schwer, ihre taktische Ordnung zu halten. Bei den Deutschen war die finale Drangphase gegen Algerien zuletzt eher aus der Not geboren. Sie erwiesen sich zwar auch als körperlich überlegen, der verspätete Erfolg in der Verlängerung kam aber auf den ersten Blick einem Pyrrhussieg gleich.
Wie ein alter Greis wankte Bastian Schweinsteiger vom Platz. Der erschöpfte Per Mertesacker verordnete sich drei Tage Aufenthalt in der Eistonne. Und mit Blick auf das Viertelfinale bekannte Manuel Neuer: „Das ist ein Nachteil.“ Die Franzosen hatten sich zuvor in 90 Minuten für die nächste Runde qualifiziert.
Als mögliches Alibi für eine Niederlage taugt die größere Belastung nur bedingt. Fußballprofis spielen oft im Dreitagesrhythmus. Das muss sich nicht in den Ergebnissen der Folgepartien widerspiegeln – zumal, wenn beide Teams an denselben Tagen antreten mussten. In einem möglichen Halbfinale jedoch dürfte der Frage der Regeneration größere Bedeutung zukommen.
Brasilien hatte nämlich vor dem Viertelfinal-Spieltag an diesem Freitag im Vergleich zu Frankreich und Deutschland gleich zwei Tage mehr Zeit, sich zu erholen. Das sind dann Unterschiede, die bedeutsam sind. Zufall ist das gewiss nicht. Jetzt muss die Selecão nur noch gewinnen.
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