piwik no script img

Konflikt im IrakAufständische kontrollieren Uran

Kein Sicherheitsrisiko, aber besorgniserregend: So schätzt die Internationale Atomenergiebehörde die Substanzen ein, die in Händen der Islamisten im Irak sind.

Ausgebrannter Polizeiwagen in Mossul: Die IS hat die Stadt im Norden unter ihre Kontrolle gebracht Bild: reuters

BAGDAD/WIEN rtr | Islamistische Aufständische im Irak haben Regierungsangaben zufolge Atommaterial in ihren Besitz gebracht. Nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) stellen die niedrig radioaktiven Substanzen vermutlich jedoch kein großes Sicherheitsrisiko dar.

Trotzdem sei ein derartiger Fall immer besorgniserregend, erklärte die UN-Behörde am Donnerstag. Dem Irak zufolge gelangten fast 40 Kilogramm Urangemische aus der Universität Mossul in die Hände von „Terroristen“.

Der irakische UN-Botschafter Mohamed Ali Alhakim rief die Staatengemeinschaft in einem Brief an Generalsekretär Ban Ki-Moon zur Hilfe auf. Es müsse die Bedrohung abgewendet werden, dass das Material „von Terroristen im Irak oder anderswo verwendet wird“. Es „kann zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen verwendet werden“ oder auch aus dem Irak herausgeschmuggelt werden, warnte der Botschafter.

Die UN-Atombehörde IAEA teilte diese Meinung zunächst nicht. Auf der Grundlage der ersten Berichte gehe man davon aus, dass das Material nur schwach angereichert sei und kein Risiko im Sinne der Sicherheit oder atomaren Weiterverbreitung darstelle, erklärte eine Sprecherin.

Mossul überrannt

Auch in US-Regierungskreisen hieß es, die Stoffe enthielten wohl kein angereichertes Uran und könnten daher kaum zum Bau von Waffen dienen. Auch für eine sogenannte schmutzige Bombe sei das Material nicht gut genug, sagte der frühere IAEA-Inspektor Olli Heinonen der Nachrichtenagentur reuters. Bei einer solchen Waffe wird radioaktives Material mit einem konventionellen Sprengsatz freigesetzt.

Radikale Sunniten der Gruppe Islamischer Staat haben Mossul bei ihrer Offensive überrannt. Erst vor wenigen Tagen räumte die Regierung ein, die Kontrolle über ein Chemiewaffenlager an die sunnitischen Rebellen verloren zu haben. Unterdessen haben sich die Gräben zwischen den irakischen Kurden und der von Schiiten dominierten Regierung in Bagdad weiter vertieft.

Die kurdischen Minister in der Übergangsregierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki kündigten an, den wöchentlichen Kabinettstreffen fernzubleiben. Dies sei eine Reaktion auf die Behauptung des Regierungschefs vom Vortag, die kurdische Stadt Ebril sei zu einer Hochburg der radikalen Sunniten-Gruppe Islamischer Staat geworden. Ein kurdischer Vertreter sagte, man sei jedoch ausdrücklich nicht aus der Regierung ausgetreten.

Frachtflüge gestrichen

Wenige Stunden später erfuhr reuters vom Chef der irakischen Flugaufsichtsbehörde, Nasser Bander, bis auf weiteres seien alle Frachtflüge nach Erbil und der zweitgrößten kurdischen Stadt Sulaimanija gestrichen. Der Passagierverkehr sei nicht betroffen.

Der Islamische Staat hat in den vergangenen Wochen weite Landstriche unter seine Kontrolle gebracht. Der Irak droht inzwischen in drei Gebiete zu zerfallen: Der autonomen Kurdenregion im Norden, einem schiitischen Teil im Süden, der noch unter der Kontrolle der Zentralregierung ist, und dem Gebiet des radikal-sunnitischen Islamischen Staates, der ein länderübergreifendes Kalifat im Irak und im benachbarten Syrien ausgerufen hat.

Auch die Kurden zeigen Abspaltungstendenzen. Der Chef der Autonomie-Regierung, Massud Barsani, rief das Parlament in der vergangenen Woche auf, eine Volksbefragung zur Unabhängigkeit vorzubereiten. Die gut organisierte Miliz der Volksgruppe hat die Kontrolle in Orten im Nordirak übernommen, die von den Sicherheitskräften der Zentralregierung während der Kämpfe gegen die Islamisten verlassen wurden. Dazu gehört insbesondere die Öl-Stadt Kirkuk.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!