Kolumne Ich meld' mich: Grün in den Genen
Die Farbe Grün allein genügt nicht. Um das Gemüt positiv zu beeinflussen, sollte es auch eine sanft geschwungene Hügellandschaft geben.
H eute mal ein wenig Wissenschaft. Grün macht glücklich, Grün ist gesund, Grün tut uns gut – Leute, die so etwas herausfinden, heißen Landschaftsästhetiker oder Wanderphilosophen. Aber um uns besonders gut zu tun, sagen sie, sollte dieses Grün sehr wohl noch ein paar zusätzliche Anforderungen erfüllen.
Sanft geschwungene Hügel überzieht es am besten, die immer mal wieder einen Ausblick erlauben. Ein paar Wacholderbüsche oder ausladende Eichen sind locker darüber verteilt, ein gluckerndes Bächlein ist enorm hilfreich, auch ein Teich gibt Zusatzpunkte.
Findet sich dann noch eine kleine Schlucht dazwischen, oder ein, bitte schön, sehr übersichtlich gehaltenes Wäldchen, kriegen wir uns gar nicht mehr ein vor Entzücken. Angeblich.
Warum aber finden wir ausgerechnet diese Version einer Super-Toskana so gelungen? Ist doch alles ganz einfach, sagen die Forscher. Viva la evolución! Wieder einmal sind es die vielbeschworenen Gene, in die alle Erfahrungen unseres Überlebens unlöschbar eingeritzt sind: Da ist Afrika, aus dem wir stammen. Die Savanne, durch die wir gewandert sind. Trinkwasser in Sicht! Wir suchen den Überblick, den wir brauchten, um fressen zu können. Und das Versteck, um nicht gefressen zu werden.
Und das alles am besten im grünen, fruchtbaren Bereich. Klingt ganz niedlich, sagt die andere Fraktion. Ist aber Unsinn. Denn so etwas wie ein evolutionäres Gedächtnis gibt es nicht. Schön finden wir, was wir ganz früh erlebt haben. Was zählt, ist einzig die Landschaft, in der wir aufgewachsen sind.
Was aber nun, wenn man als Kind vom Land den Trubel am New Yorker Times Square über alle Maßen liebt? Wenn man als Sohn der Alpen das platte Lappland jeder Zugspitze vorzieht? Als Naturliebhaber das neue Nordfriesland mit Windrädern viel gelungener findet als das alte, windradlose? Und wie verhält es sich überhaupt mit all denen, denen Eifel, Harz und die Schwäbische Alb so was von an sonstwo vorbeigehen? Setzen, Wissenschaft. Drei minus. Noch mal von vorn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!