Neue Eels-Platte: Kauzige Konstante im Pop
Mark Oliver Everett ist mit einem neuen Album zurück. Er hat schon alles gesagt, der Sound ist wie gehabt und doch ist diesmal etwas anders.
Mit Eels-Alben ist es so eine Sache: Eigentlich hat Mark Oliver Everett in den ersten vier Werken seines Bandprojekts bereits alles gesagt. Das Debüt „Beautiful Freak“, erschienen 1996, war perfekter Pop, die darauf folgende Platte „Electro-Shock Blues“ die Erfindung der Eels’schen Depression. Mit „Daisies of the Galaxy“ etablierte Everett dann die Verbindung aus todtraurigen Texten und naiv-fröhlichen Melodien als seinen künstlerischen Fingerabdruck. Auf „Souljacker“ schließlich schepperten erstmals die Cock-Rock-Anleihen – augenzwinkernd, eh klar.
Alles, was danach kam, klang wie die fortwährende Variation eines einzigen Eels-Songthemas. Das neue Album „The Cautionary Tales of Mark Oliver Everett“ ist dabei im ersten Moment keine Ausnahme. Das Kinderpiano, die Geisterorgeln, die filigranen Flöten- und Streichersätze – man hat das alles schon gehört. Es ist die bekannte Eels-Klaviatur, auf der Everett da spielt. Trotzdem klingt er auf dem neuen Album anders, intimer, zerbrechlicher.
Die fiependen Gitarrenverstärker und Feedback-Höllen, die er auf dem Vorgängeralbum „Wonderful, Glorious“ beschworen hat, bleiben diesmal vor der Studiotür. Stattdessen spinnt Everett seine Geschichten wahlweise um Akustikgitarre oder Klavier. Hier noch ein Cello, da noch ein Orgelton, der durch den Raum wabert: Derart reduziert hat man den „Man called E“ selten gehört. Nur vereinzelt zieht es ihn und seine Band in traditionalistische Folk-Herrlichkeit („Where I’m From“) oder in Richtung Kammerpop („Lockdown Hurricane“, „Agatha Chang“). Ansonsten gilt: bloß kein Ton zu viel.
Nackt und direkt
Die Reduktion steht den 13 Stücken auf „The Cautionary Tales of Mark Oliver Everett“ gut. Ungeschminkt und ohne Schnörkel bleibt übrig, wofür die Eels einst bekannt wurden: eingängige Songs, die dieser Everett immer wieder aufs Band bringt. Kein Songwriter seiner Generation beherrscht den simplen, aber gewitzten Dreiminüter so wie er. Dass Everett nackt und direkt daherkommt, liegt wohl an der Vorgeschichte des Albums. Kurz bevor er sich mit seiner Live-Band an die Aufnahmen machte, ging seine Ehe in die Brüche.
Unverblümt macht er seinen privaten Scherbenhaufen zum Thema, sinniert über allerlei Fehler und hat vor allem eins: ein schlechtes Gewissen. Darum will er das Album als eine Art Lehrstück verstanden wissen. „Damit andere von meinen Fehlern lernen können“, wie er auf der Homepage seiner Band schreibt. „Thought we were the lonely type / On an island of the lost / But it was only me / Because you got off“, singt er in „Dead Reckoning“. Noch deutlicher wird er bei „Gentlemen’s Choice“: „The life that I’ve led / It’s better unsaid / The world has no use for my kind.“
Auch das ist eine Eigenheit des Bandleaders: Man nimmt Everett solche Sätze ab, wo sie bei anderen schnell nach traniger Befindlichkeitslyrik klingen. Das Leben ist dem 51-Jährigen oft genug als Arschloch begegnet. Seinen Vater verliert er mit 19. Seine Schwester beging Selbstmord, zwei Jahre später stirbt die Mutter an Krebs. Und als am 11. September eine Boeing im Pentagon einschlägt, sitzt seine Cousine an Bord. Kein Wunder, dass Eels-Songs immer auch vertonte Vergangenheitsbewältigung sind.
Dass Everett über alledem seinen Humor nicht verloren hat, bedeutet umso mehr. Den lässt er immer wieder aufblitzen, vor allem bei den Live-Konzerten. Genüsslich kultiviert Everett dort seine Weirdness, tritt mal im Trainingsanzug, mal in Hausmeisterkittel auf. Nie aber ohne den talibanesken Vollbart, den er sich seit Jahren stehen lässt.
Mark Oliver Everett ist zu einer kauzigen Konstante im Popzirkus geworden. Missen möchte man ihn nicht. Gute Songs werden schließlich nicht langweilig.
Eels: „The Cautionary Tales Of Mark Oliver Everett“ (E Works/Cooperative Music/PIAS)
Live: 22. Juli, Laeiszhalle, Hamburg
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