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Würfelstudie über unehrliche OssisZu doof zum Bescheißen

Einer „Studie“ zufolge betrügen Menschen, die in der DDR aufwuchsen, häufiger beim Glücksspiel. Das freut die Kommunistenfresser beim „Economist“.

Keine Ahnung von Wahrscheinlichkeitsrechung: DDR-Bürger vor dem Idiotensteueramt. Bild: imago/Sven Simon

Vor einigen Tagen saß ich mit einer Freundin im Volkspark Friedrichshain, wir hatten uns einige Zeit nicht gesehen. Das Wetter war schön, das Bier gut, die Geschichten aus dem karibischen Sozialismus auch. Die Freundin war gerade wieder ein paar Monate in Kuba gewesen.

Bevor wir uns verabschiedeten, fragte sie noch, ob ich Interessenten kennen würde für Zigarren im Wert von ca. 650 Euro. Eine Bekannte von ihr hätte die in einer kubanischen Fabrik mitgehen lassen und nun würde ein Käufer gesucht, damit sie von dem Geld ihre schäbige Wohnung in Havanna sanieren könne.

Dieser Zigarrendiebstahl läuft anscheinend immer nach demselben Muster ab. Die Torcedoras, die Zigarrendreherinnen, lassen vielleicht jede dritte oder vierte Zigarre während der Arbeit unter den Tisch fallen und nehmen die dann nach Feierabend mit nach Hause. An einem anderen Arbeitstag lassen sie ein paar Label mitgehen, an wieder einem anderen ein Kästchen, um das vollständige Produkt schwarz verkaufen zu können und so ihr kärgliches Gehalt, vor allem mit Devisen, aufzubessern.

Das kam mir bekannt vor. Auch die DDR war ein Land voller Grauökonomie, in der Handelswaren unter dem Ladentisch, im Tausch gegen schwer erhältliche Dienstleistung und wieder andere Waren durch die Gegend schwirrten, wo Westgeld wiederum alles kaufen konnte. Angetrieben wurde dieser Markt von Diebstahl, gerne auch aus dem Volkseigentum.

Würfeln als Beweis des Verbrechertums

Alles Betrüger also im Sozialismus? Unmoralisches Pack, ideelle Orks gewissermaßen, die noch ihre Großmutter für einen Räucheraal eintauschen würden? Anscheinend ist das die gefestigte Position der britischen Wirtschaftsillustrierten The Economist die angesichts des darniederliegenden Staatssozialismus immer nochmal nachtreten möchte. Wenn am Ende der Geschichte schon die Gulags im „Reich des Bösen“ zu Gedenkstätten gegen die Unrechtsregime umgebaut sind, scheint es absolut nötig, daran zu erinnern, wie schlecht es um die verderbliche Moral der Ossis noch immer bestellt ist.

So muss die Freude in London über eine Studie ganz erheblich gewesen sein, die anhand eines Würfeltests das verbrecherische Erbe des Kommunismus bewiesen haben will. 250 Menschen aus Berlin wurden für den Test per Zufall ausgewählt und gebeten, 40 Mal unbeobachtet einen Würfel zu werfen, das Ergebnis zu notieren und sich anschließend abhängig von der Höhe des erwürfelten Betrags bezahlen zu lassen. Maximal sechs Euro gab es zu gewinnen.

Die restlichen Details dieser schon der Methode nach ganz sicher nicht repräsentativen Studie sind zu vernachlässigen, wichtig ist nur, dass am Ende rauskam, dass Menschen die in der DDR aufwuchsen, vorgaben, höhere Ergebnisse erzielt zu haben, als ihre westlichen Brüder und Schwestern. Je länger sie dem Sozialismus ausgesetzt waren, umso stärker die Abweichung vom Durchschnitt.

Da bei einer hinreichenden Anzahl von Würfen das Ergebnis aller Teilnehmenden eigentlich annähernd gleich sein müsste, schließen die Forscher, dass die Ossis beschissen haben. Chapeau! The Economist frohlockt: „Wenn es zu Moral kommt, scheint eine kapitalistische Erziehung die sozialistische zu übertreffen.“ Gut, dass wir das endlich ein für alle Mal geklärt haben, den Herrn Gauck wird's sicher auch freuen.

Wollen Sie den Fernsehturm kaufen?

Was die Zeitschrift zu erwähnen vergisst, ist, dass es bereits ein viel aussagekräftigeres, da repräsentatives Experiment zur Frage der Moral zwischen Kapitalismus und Sozialismus gab: die Abwicklung der DDR und ihr Aufgehen im gesamtdeutschen Staat. Das war jene Feldstudie, in der Ossis sich verrostete Wracks als Autos haben andrehen lassen, von westdeutschen Finanzberatern zu Pyramidenspielen gedrängt wurden, sich Grund und Boden unterm Arsch haben rückübertragen lassen und stumpfsinnig der Abwicklung der gesamten produzierenden Industrie beiwohnten.

Nur weil vieles (beileibe nicht alles!) davon gesetzlich erlaubt war, genügte es keineswegs auch nur geringsten moralischen Ansprüchen. Bewiesen wurde dort zweierlei: erstens die monumentale Unmoral des Kapitalismus und die nicht weniger monumentale Dummheit der Ossis. Oder um es mit dem (Verzeihung) seeligen Ronald Schernikau zu sagen: „War die Staatsbürgerkunde wirklich so schlecht?“

Ja war sie. Und der Mathematikunterricht anscheinend auch, sonst wäre den ostdeutschen Probanden des Würfelexperiments die Gaußsche Normalverteilung ein Begriff gewesen und sie hätten einfach auf die sechs Euro verzichtet und statt dessen lieber versucht, amerikanischen Touristen den Fernsehturm zu verkaufen. Aber nein, die Ossis sind einfach zu doof zum Bescheißen und eigentlich ist das doch ein Zug, der sie moralisch zwar nicht unbedingt überlegener, aber irgendwie sympathischer erscheinen lässt.

(Übrigens: Falls Sie Interesse am Erwerb preisgünstiger original kubanischer Zigarren haben, zögern Sie bitte nicht, Kontakt mit mir aufzunehmen.)

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12 Kommentare

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  • wenn jemand sone blöde studie mit mir macht, dann hätte ich natürlich 40*6 gesagt, ist mir doch egal ob sie dann alle ossis für betrüger halten, wenns um geld geht, vlt sind die ossis da einfach pragmatischer...

  • Toller Artikel ! Bitte mehr von der Machart !

  • Also irgendwie fühle ich mich beleidigt.

    • @SomeoneOutThere:

      ... hä ? Von wem oder was ?

  • "Und der Mathematikunterricht anscheinend auch, sonst wäre den ostdeutschen Probanden des Würfelexperiments die Gaußsche Normalverteilung ein Begriff gewesen und sie hätten einfach auf die sechs Euro verzichtet und statt dessen lieber versucht, amerikanischen Touristen den Fernsehturm zu verkaufen."

     

    Der Würfel folgt einer Gleichverteilung. Jedes Ereignis tritt mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/6 auf.

     

    Wenn man schon klugscheißt, dann richtig. ;-)

    • Daniél Kretschmar , Autor des Artikels, Autor
      • @Daniél Kretschmar:

        Das in ihrem Link beschriebene Experiment ist nicht dasselbe wie das in der besagten Studie, die man übrigens hier lesen kann:

         

        http://www.academia.edu/7406122/The_True_Legacy_of_Two_Really_Existing_Economic_Systems

         

        Kurz gesagt: Jeder Proband sollte 40 Mal würfeln und sich vorher entscheiden, ob er die Zahl oben oder die (verdeckte Zahl) unten aufschreibt. Bei einem normalen Würfel sollte jede Zahl mit etwa 1/6 Wahrscheinlichkeit vorkommen. Es war aber so, dass die hohen Zahlen (4-6), die mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% auftreten sollten, häufiger vorkamen. Bei Wessis kamen sie mit 55% Häufigkeit und bei Ossis mit 60% Häufigkeit vor. Daraus schlussfolgern die Autoren, dass Ossis doppelt soviel bescheißen wie Wessis. Bei einer Probandenzahl von jeweils knapp unter Hundert darf man leicht skeptisch sein, ob man aus diesem Experiment so weitgehende Schlussfolgerungen ziehen kann, wie es die Autoren getan haben. Zumal überhaupt nicht berücksichtigt wird, dass seit der Wende nun schon 25 Jahre vergangen sind.

      • @Daniél Kretschmar:

        Vielleicht finanziert die taz ihnen einen Crashkurs in WR:

        Dass hier das Ergebnis im Limes gegen die Wahrscheinlichkeit geht (und damit zu erraten war), ist das Gesetz der großen Zahlen.

        Dass die Gauss-Verteilung im Limes von Binomialverteilungen (etwa Münzwurf) erscheint, ist der Satz von Moivre Laplace.

        Hier im Experiment war es aber keine Binomialverteilung, sonder so wie von Abrakadrabra gechrieben..

        Elementare "ostdeutsche Bildung"schlägt oft "westdeutsches Expertenwissen."

        • @Tupaq:

          Soweit mir bekannt ist, ist der Autor zumindest 14 Jahre lang "DDR"-sozialisiert und -gebildet ;-)

           

          Oder liege ich da falsch?

          • @Hanne:

            Also jezt muss ich den Autoren mal in den Schutz nehmen. Gauß-Glocke ist da schon ein ziemlich guter Begriff, wobei ich mir nich sicher bin, ob die Studie die Auswertung richig berücksichtigt hat. (Das mit würfen bei 4,5,6 mit den Würfen bei 1,2,3 zu vergleichen ist arger unsinn)

            Bertachten wir uns das Geld, was die Testpersonen erhalten stellen wir fest, dass durchschnittlich 3,5 * 40 Euro erwatet werden (Erwartungswert pro wurf mal Anzahl der Würfe) Führt man jetzt eine sehr hohe Anzahl an Test-Reihen mit 40 Würfel durch, und schaut wieviele Personen wieviel geld bekommen haben, wird man feststellen, dass zwar die meisten Menschen 140€ bekommen haben, aber es eine Gausverteilung genau um die 140€ gibt. Gibt es andereseits (bei einer hohen Anzahl an Tests) eine verzerung der Gaußglocke zu hohen beträgen ist dies ein klares indiez fürs Schummeln. Ich mach sowas beruflich und will nochmal betonen, ohen Gausverteilung ist diese Experiment nicht auswertbar! (Von wegen richtig klugscheisen und ein crash kurs in WR finanziert zu bekommen(Ja ich weis, ich bräuchte den in Rechtschreibung, dafür kann ich Mathe und WR))

  • Das im Osten die Menschen geklaut wie die Raben haben liegt allerdings im Sozialismus und der Mangelwirtschaft.

     

    Je sozialer der Sozialismus desto näher ist sich jeder selbst.

     

    Außerdem hieß es ja schon Volkseigentum, das hat sich das Volk halt genommen.

    • @DasNiveau:

      Korrektur:

      Dass im Osten die Menschen geklaut haben wie die Raben, ist eine Legende, deren Wahrheitsgehalt gering ist. Dieser Wert ist etwa so groß wie die Aussage, dass die Bayern Linkshänder mit großen Füssen sind.