Schwimm-EM in Berlin: Er hat den Dreh raus
Patrick Hausding liebt das Springen, den Nervenkitzel und das Wasser. Der Berliner Wassersprung-Weltmeister ist bei der Schwimm-EM dabei.
Dreimal katapultiert das Sprungbrett den muskulösen Körper in die Höhe. Dann springt er ab. Schnell legt Patrick Hausding seine Arme um die angewinkelten Beine und beginnt sich vorwärts zu drehen. Viermal, fünfmal, es geht rasend schnell. Dann streckt sich der Körper wieder und taucht senkrecht ins Wasser.
Patrick Hausding ist gebürtiger Berliner und Profi-Wasserspringer. Bei einem Schnuppertraining des TSC Berlin hatte der damals Siebenjährige den Sport für sich entdeckt. „Ich war schon als Kind immer sehr hibbelig, da war das eine super Möglichkeit, mich zu bewegen“, sagt er. 18 Jahre später ist Patrick Hausding mehrmaliger Deutscher Meister und Europameister, holte 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking Silber im Synchronspringen und wurde in dieser Disziplin 2013 sogar Weltmeister. Bei der heute beginnenden 32. Schwimm-Europameisterschaft in Berlin tritt er sowohl im Kunstspringen als auch im Synchronspringen gemeinsam mit seinem Partner Sascha Klein an.
Neben seiner Karriere als Wasserspringer studiert Hausding Betriebswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität. Doch kommt er mit seinem Studium neben Training und Wettkämpfen nur sehr langsam voran. „Momentan bin ich zwar im vierten Semester, aber vom Wissensstand eher noch im ersten“, sagt er.
Es ist früh am Morgen, als Hausding an der Tür der Schwimm- und Sprunghalle Paul-Heyse-Straße klingelt. An der Wand ist ein kleines Kamera-Bullauge angebracht. „Hausding mein Name“, sagt er nüchtern und schaut hinein. Kurz darauf summt der Türöffner und er tritt ein. Am Ende des Ganges mit dem mintgrünen Linoleumboden wartet schon sein Trainer Jan Ketzschmar. „Wieder mal zu spät, der Herr Hausding“, sagt er grinsend und schließt die Tür zum Trainingsraum auf. Es ist heute eine von Hausdings letzten Trainingseinheiten vor der Europameisterschaft.
Dass der 25-Jährige in der Randsportart Wasserspringen so erfolgreich ist, hat wohl mehrere Gründe: Mut, Spaß am Springen und die Liebe zum Wasser gehören dazu. Das seien Eigenschaften, die man als Wasserspringer brauche, sagt er. Hinzu komme die Unterstützung seiner Familie. „Es ist wichtig, dass jemand da ist, der dich ermuntert weiterzumachen, auch wenn du dich mal verletzt.“
Nach dem Training in einem kleinen Bistro gegenüber der Schwimmhalle rührt Hausding in seinem Kaffee. Er erzählt von seiner Schulzeit im Coubertin Gymnasium in Prenzlauer Berg.
Schon während seiner Schulzeit nahm Hausding an nationalen Wettkämpfen und Europameisterschaften teil. Im Unterricht fehlte er oft, weshalb es für ihn nicht immer leicht war, seine Freundschaften zu pflegen. „Wenn du nur alle zwei Wochen da bist, hast du natürlich weniger soziale Beziehungen“, sagt er. Und außerdem wenig Freizeit. Denn während seine Klassenkameraden nach dem Unterricht Fußball spielten, ins Kino oder auf Parties gingen, musste er trainieren. Das ist auch heute noch so. Pläne schmieden kann er mit seinen Freunden fast nie. Zeit mit seiner Freundin verbringt er oft nur an den Abenden oder Wochenenden.
Für die Europameisterschaft in Berlin, die in der Schwimm- und Sprunghalle Paul-Heyse-Straße und im Velodrom nahe der Landsberger Allee ausgetragen wird, sieht er ab heute durchaus ein paar Heimvorteile. „Ich kenne die Anlage in- und auswendig und springe natürlich schon viel länger auf den Brettern als die anderen Teilnehmer und außerdem vor heimischem Publikum.“
Strenge Wettkampfrituale, wie viele andere Sportler, hat er nicht. Für ihn sind das „Zwangsneurosen“. Stattdessen folgt er vor jedem Wettkampf einem bestimmten Rhythmus. Drei Sprünge, bevor er dran ist, geht es los: Dann schöpft Hausding mit beiden Händen Wasser aus dem Sprungbecken und lässt es sich über seinen Kopf laufen – vom Haaransatz bis zum Hinterkopf. Danach geht er seinen Sprung noch einmal gedanklich durch, imitiert die einzelnen Bewegungen.
Und auch etwas anderes ist wichtig: Hausding greift ins vordere Fach seines Rucksack und zieht sein Portemonnaie heraus. In seiner rechten Hand hält er eine Art Folie in Form einer Kreditkarte. Drei vierblättrige Kleeblätter sind darin. „Das habe ich von meinem Vater bekommen. So etwas schenkt er mir vor den Wettkämpfen.“
In ein paar Jahren allerdings wird seine Karriere vorbei sein. Dann muss er sich umorientieren. Bis 2016 will er sich noch voll auf den Sport konzentrieren – und dann etwas mehr auf das Studium. Und danach? Sportmarketing und Journalismus interessieren ihn. „So eine Art Franziska-van-Almsick-Job wäre cool!“
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