Ausstellung zum taz-Neubau: Ein Rotkäppchen hinter Gittern
In Kreuzberg werden die Entwürfe des Wettbewerbs für ein neues taz-Haus gezeigt: kühne Architektenpläne, aber auch den einen oder anderen Klotz.
Eine Fassade aus recycelten Getränkedosen, ein rundum begrünter Kubus, eine ausladende Freitreppe zwischen zwei Hochhausteilen: Das alles fällt Architekten ein, wenn sie sich ein neues taz-Haus vorstellen sollen. Im April hatte die taz die bauende Zunft dazu aufgerufen, ihre Visionen für das neue Firmendomizil in Kreuzberg einzuschicken. Aus 312 Bewerbungen in- und ausländischer Architekten wählte die Fachjury schließlich 25 Büros aus und lud sie zum Wettbewerb ein. Was dabei herausgekommen ist, wird ab Donnerstagabend in einer Ausstellung in der Forum Factory am Besselpark gezeigt – also in unmittelbarer Nähe zu dem Grundstück, auf dem sich die taz bis 2017 niederlassen will.
Ein bisschen Fantasie muss man mitbringen, wenn man sich die an den Wänden befestigten Farbausdrucke der Entwürfe im realen Stadtraum vorstellen will: Plastisch an den ausgestellten Arbeiten wirken nur die Renderings, computeranimierte 3-D-Modelle von Fassaden und Raumsituationen, auf denen Menschen, Möbel, Bäume und Straßen zu erkennen sind. Ansonsten bestimmen nüchterne Grundrisse und Planungsdaten das Bild, ergänzt von der schriftlichen Beurteilung der Jury und einem Kurzporträt des einreichenden Büros. Diese Würdigung wird allerdings nur den sieben Arbeiten zuteil, die einen ersten oder zweiten Preis oder eine Anerkennung erhielten.
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht der Siegerentwurf des Schweizer Büros E2A. Über dessen Gitternetzfassade urteilten die JurorInnen: „Die Fassade transportiert ein Image der taz (…) als Werkstatt und Produktionsstätte, ablesbar durch Bezüge vom Konstruktivismus über den sowjetischen Radioturm bis zum ’spacigen‘ Club Berghain.“ Auch der geplante Baukörper setze „die städtebaulichen Zielsetzungen auf überzeugende Weise um“ und entspreche dem Bebauungsplan. Mit 10 zu 2 Stimmen kürte das Preisgericht den Entwurf zum Sieger.
Zum Entwurf mit den Getränkedosen, der rechts neben dem Eingang zu sehen ist, war die Jury weniger gnädig: Die Cafégalerie nicht barrierefrei, die Baufläche überschritten, Abweichung zum Bebauungsplan: Der Entwurf mit der Nummer 1272 flog im ersten Rundgang raus.
"Da ging ein Aufstöhnen durch die Runde"
Dass es sich bei dem Architekten um den Berliner Baugruppenarchitekten Christian Schöningh handelte, einen Freund des Hauses, spielte für die Beurteilung keine Rolle: Denn das Wettbewerbsverfahren war anonym. „Da ging mitunter ein Aufstöhnen durch die Runde“, berichtet die Architektin Ulrike Lickert, die den Wettbewerb koordinierte.
So mancher sei hinterher etwas unangenehm berührt gewesen, dass man die bekannten Staab Architekten im ersten Rundgang verabschiedet habe. Oder verwundert, dass es das Stuttgarter Büro Behnisch war, über dessen Fassade lebhaft gestritten wurde – und das sich am Ende mit einer Anerkennung begnügen musste. Insgesamt aber zeigt sich Ulrike Lickert beeindruckt von der Qualität der abgegebenen Arbeiten. Die Expertin, die auch für die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Wettbewerbe durchführt, sagt, es sei äußerst selten, dass wirklich alle der eingeladenen Teilnehmer eine vollständig durchdachte Arbeit einreichen. „Das zeigt, dass die Architekten große Lust auf die Aufgabe und den Bauherrn hatten.“
Ein Blick in die Runde verdeutlicht, dass viele Teilnehmer mit dem typischen taz-Rot spielten: Behnisch hängt der Fassade einen knallroten Konferenzbereich an, die Leipziger schulz & schulz fassen ihren 8-Geschosser mit Bändern aus knallrotem Sichtbeton ein. Auch das Image der taz als Unternehmen mit flachen Hierarchien und unkonventionellem Geist wird in chaotischen Innenstrukturen, komplett offener Inneneinteilung oder durch schräge Treppen miteinander verbundenen Ebenen ausgedrückt.
Allzu Wildes war von der Bauherrin allerdings nicht gefragt. Schon im Auslobungstext wies die taz auf eine „hohe ästhetische und funktionale Qualität“ hin sowie auf die „Berücksichtigung der innerstädtischen und städtebaulichen Situation“ und die Wirtschaftlichkeit. Will heißen: Das neue Haus soll zwar gut aussehen, muss aber vor allem ein gutes Arbeitsklima bieten. Und es darf nicht zu viel kosten oder sich zur Nachbarschaft hin abschotten.
Überhaupt, die Nachbarn: Wer sich nicht nur die Entwürfe ansieht, sondern ein paar Meter weiterschlendert auf die Parkplatz-Brache, auf der gebaut werden soll, der ahnt: Fingerspitzengefühl braucht es hier und eine städtebauliche Integrationsbereitschaft. Das neue taz-Haus muss nach vorn zur Friedrichstraße hin wirken, direkter Nachbar wird die Firma Landau Media sein, die ebenfalls bald einen Wettbewerb starten wird. Von hinten aber muss sich die taz einpassen in das „Kunst- und Kreativquartier“, das bald rund um die ehemalige Blumengroßmarkthalle, jetzt Akademie des Jüdischen Museums, entstehen soll.
Aufgabe: Brückenbau
Hier, am unfeinen Südende der Friedrichstraße zu bauen, in direkter Nachbarschaft zu den IBA-Sozialbauten und dem desolaten Mehringplatz, birgt auch eine gewisse Verantwortung. Noch ist die südliche Friedrichstadt Sanierungsgebiet. Die Gegend rund um den Besselpark, einst als Schneise für die geplante Südtangente in die Stadt geschlagen, liegt noch immer quer zur historischen Bausubstanz. Aufgabe der taz (und ihrer Nachbarn) wird es sein, eine Brücke zwischen dem Straßenblock und den Kreativbetrieben im Vorfeld des Jüdischen Museum zu bauen. Diese Reparaturarbeiten traute man nun am ehesten den Züricher Brüdern Wim und Piet Eckert zu, die in Berlin die Böll-Stiftung gebaut haben.
Wim Eckert klingt ganz beseelt von seiner neuen Aufgabe: „Berlin-Friedrichstraße – bei dieser Adresse schlägt das Herz jedes Architekten sofort höher“, schwärmt er und spricht von Mies van der Rohes gläsernem Hochhausentwurf am einen und den Sozialbauten vom Mehringplatz am anderen Ende der Straße. „Mythos und Realität von Berlin gewissermaßen“ – eine Spange zwischen diesen diametral unterschiedlichen Orten der Stadt zu bauen sei eine großartige Herausforderung. Ein paar Jahre hat Eckert in Berlin gelebt, räumt aber ein, „wie seine Hosentasche“ kenne er die Stadt nicht, auch die taz sei ihm nur vage bekannt. Aber vielleicht sei der Blick von außen ja auch ein Vorteil.
Nachdem sein Rechercheteam in die Historie der taz und die Geschichte des Ortes eingestiegen ist, stand fest: „Hier interessiert die Leistungsfähigkeit des Gebäudes mehr als die Symbolik. Also haben wir versucht, ein ganz einfaches Haus zu machen. Ein Ort mit maximaler Freiheit nach innen, mit einer festen Struktur nach außen. Ein Ort, an dem sich die taz wohlfühlen kann.“
Dass einige Mitarbeiter der Zeitung über das Gebäude mit der stählernen Netzgitterfassade und dem roten Dach bereits „Rotkäppchen hinter Gittern“ witzeln, ficht den Mann aus Zürich nicht an, schließlich hat sein Büro den Bauauftrag mit komfortabler Jurymehrheit bekommen.
Beim Rundgang durch die Ausstellung ist man jedenfalls froh, dass es ein Entwurf geworden ist, der nicht durch Extravaganz protzt, sondern durch sachliche Eleganz überzeugt. Und der weder den Bebauungsplan noch den Kostenrahmen sprengt. Anderen Bauten, wie dem aufdringlich nach vorn drängenden Würfelgebilde von BIG aus Dänemark, steht die Gefallsucht im Gesicht geschrieben.
Während die Büroschachteln von TMTP (Berlin) oder Kraus Schönberg (Hamburg) schon auf dem Papier so eine ungemütliche Kälte verströmen, dass man sich den Arbeitsalltag in einem solchen Business-Kasten gar nicht ausmalen mag. Dann schon lieber durch tazrot getöntes Glas auf die alte und neue Urbanität der Umgebung schauen.
■ Forum Factory, Besselstraße 13–14 , bis 17. 9., täglich
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