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Kommentar Berliner AntifaScheitern der Kapuzenpolitik

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

Eine Gruppe, die die antikapitalistischen Kämpfe über Jahre entscheidend geprägt hat, gesteht ihre Lernfähigkeit ein. Auf Wiedersehen.

Linke Demonstration in Hamburg. Bild: dpa

A ktivistInnen aus dem autonomen Milieu wird, meist von gemütlicheren ZeitgenossInnen, gerne einiges vorgehalten: politische Plattheit, eine verkürzte Kapitalismuskritik und der fehlende Wille zur kritischen Selbstreflexion gehören dazu. Die Tatsache, dass sich mit der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) eine prototypische und einflussreiche Kerngruppe dieses Milieus auflöst, ist der Ausdruck einer Antifa in der Krise. Wenn sich ausgerechnet die Gruppe, die zentral und typisch für „die Antifa“ stand, jetzt auflöst – was sagen wir da: Bye-bye, Antifa? Oder lieber: Auf Wiedersehen?

Bei aller Kritik, die aus den grünbürgerlichen Milieus einerseits, andererseits aus dem linksradikalen Spektrum in den letzten Jahren immer wieder an klassische Antifagruppen gerichtet wurde – ausgerechnet der letzten Meldung der ALB, dem Auflösungsschreiben, ist von Plattheit und Gram wenig anzumerken. Im Gegenteil: Der alte Slogan „Antifa heißt Angriff“, so heißt es da, sei höchstens noch als „Phrasendrescherei“ zu werten. In einem ruhigen, differenzierten Ton gesteht dort eine Gruppe, die die antikapitalistischen Kämpfe über Jahre entscheidend geprägt hat und die viele für nicht lernfähig hielten, ihre Lernfähigkeit ein. Und, ja, damit auch ihr Scheitern.

Dieses Ende ist das Ergebnis einer langwierigen selbstkritischen Auseinandersetzung, die die Szene in den vergangenen Jahren offensiv und öffentlich mit sich ausgetragen hat. In vielen deutschen Städten haben Antifa-Gruppen sich daraufhin neu sortiert. Dafür gab es auch genügend inhaltliche und strategische Gründe.

Auf zahlreichen politischen Feldern – seien es die Flüchtlingsproteste, das Aufkommen der rechtskonservativen Partei AfD oder die Debatte um Überwachung nach den Enthüllungen von Edward Snowden – haben viele klassische autonome Gruppen keine politischen Mittel und Wege – kurz: keine Anschlussfähigkeit – mehr für sich gefunden.

Konflikt um politische Mittel

Das langsame Scheitern der Kapuzenpolitik hat aber neben der inhaltlichen auch eine ästhetische Komponente: Die neue Bastion der antikapitalistischen Linken ist das Grafikbüro. Zahlreiche linke Strömungsgruppen haben begriffen, dass sie den Weg in Richtung gesellschaftlicher Veränderung nur erfolgreich antreten können, wenn sie an ihrer Popularisierung arbeiten und damit auch an der Ästhetik radikalen Handelns. Die offene Konfrontation und ein buntes, dennoch radikales Auftreten haben ausgehend von den G-8-Protesten in Heiligendamm 2007 das Gesicht einer pluralistischen Mosaiklinken geprägt, die lebensbejahend ist und politische Komplexitäten anerkennt.

Der symbolträchtige Konflikt innerhalb der ALB, die lange der wichtigste Gastgeber der „revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ in Berlin war, ist letztlich auch ein Konflikt um diese Frage – eine Frage der politischen Sprache und der politischen Mittel. Die ALB ist mit ihrer Selbstauflösung diesen Schritt in letzter Konsequenz gegangen. Nicht hinfort, nicht auf Nimmerwiedersehen, sondern dorthin, wo die Aufgaben liegen: die außerparlamentarische Linke in Deutschland strömungsübergreifend zu erneuern. Das bedeutet: Tschüss, Antifa. Und: Auf Wiedersehen.

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Martin Kaul
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5 Kommentare

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  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "... politische Komplexitäten ..." - mannomann, da spricht aber eine Menge Respekt vor der konfusionierenden Intriganz heraus!?

     

    Ja, der zeitgeistlich-kreislaufende Faschismus, der momentan die Welt- und "Werteordnung" im "Recht des Stärkeren" des nun "freiheitlichen" Wettbewerbs um "Wer soll das bezahlen?" und "Arbeit macht frei" beherrscht, hat mal wieder gesiegt, und Schadefreude ist mal wieder die schönste Freude, der systemrational-gebildeten Suppenkaspermentalität in massiver Dummheit!?

  • die sind, in dgedenekn an die putschauflösung des sds, nicht o s oragasniert, das da irgendein vorstamd befugt, ist, die antifa aufzulösen. e handelt sicj auch viel um statsanwaltlichartige fremdzuschreibungen,

    beobachtungen eines um minima an sachgerechtigkeit bemühten erfahrenen politkommerntalesers.

    politik und politikberichterstattung. intrigen und heimtückeorgein.

    • @Dr. rer. nat. Harald Wenk:

      Ehrlich. Haben Sie tatsächlich einen Dr.? Stichwort Pisa. Ist das wie Sie schreiben, die Neue Deutsche Rechtschreibung?

    • 7G
      738 (Profil gelöscht)
      @Dr. rer. nat. Harald Wenk:

      Sind Sie auf der Tastatur eingeschlafen?

      • @738 (Profil gelöscht):

        Geschmeidig, exakt den gleichen Gedanken hatte ich auch. :-)