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Evangelischer Pastor über Kopftücher„Es gibt kein generelles Verbot“

Norbert Groß verteidigt kirchliche Einrichtungen, die keine bekennenden Muslime beschäftigen möchten. Er kann sich aber Ausnahmen vorstellen.

„Man sollte nicht auf dem Kopftuch beharren, wenn man den Job behalten möchte.“ Bild: dpa
Interview von Gil Shohat

taz: Herr Groß, das höchste deutsche Arbeitsgericht hat entschieden, dass kirchliche Arbeitgeber das muslimische Kopftuch im Dienst verbieten dürfen. Ist das gut so?

Norbert Groß: Mit dem Urteil wurde nur klargestellt, was implizit schon klar war: Kirchliche Einrichtungen unterliegen kirchlichem Recht. Und dieses beinhaltet auch bestimmte Loyalitätspflichten. Im Endeffekt wurde also geltendes Recht bestätigt. Man hätte sich diesen Prozess auch sparen können.

Wo ist denn das Problem, wenn eine bekennende Muslima in einer kirchlichen Einrichtung arbeitet? Ist es nicht wichtiger, ob sie ein gutes Verhältnis zu den Patienten hat?

Das mag sein. Aber hängt das davon ab, ob sie ein Kopftuch trägt oder nicht? Sie könnte auch darauf verzichten.

Das beantwortet die Frage noch nicht.

Wenn Sie an einem christlichen Krankenhaus arbeiten wollen, müssen Sie sich dessen Corporate Identity anpassen. Das ist ja in der Privatwirtschaft genauso: Was nicht zum Image des Unternehmens passt, kann zu Konflikten führen. Genauso ist es, wenn Sie in einer kirchlichen Einrichtung ein so eindeutiges religiöses Zeichen wie ein Kopftuch geben wollen.

Sehen Sie darin eine Provokation der Klägerin?

Ich weiß nicht, ob da Grenzen ausgetestet werden sollten. Jedenfalls sollte man nicht auf seinem Kopftuch beharren, wenn man seinen Job auf alle Fälle behalten möchte. Ich muss von den Mitarbeitenden schon verlangen können, dass sie den Kontext ihrer Einrichtung einschätzen können, vor allem, wenn sie schon so lange dort tätig waren wie die Frau in diesem Fall.

Im Interview: Norbert Groß

ist seit 1999 Direktor des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbands. Davor arbeitete er als evangelischer Gemeindepastor in Hamburg.

Finden Sie es auch vertretbar, wenn ein evangelisches Krankenhaus einer katholischen Ordensschwester oder einer orthodoxen Jüdin das Tragen religiöser Symbole verbietet?

Da muss man in jedem Einzelfall aufs Neue schauen. Wenn in einem evangelischen Krankenhaus eine katholische Ordensschwester arbeiten würde, würde das wohl von der Mehrheit als Zeichen der Ökumene gedeutet werden. Wichtig ist: Es muss einer gemeinsamen Sache zuträglich sein.

Wäre die Tatsache, dass eine bekennende Muslima an einer christlichen Einrichtung wie der Augusta-Klinik in Bochum arbeitet, denn nicht ein schönes Zeichen für ein tolerantes Miteinander der verschiedenen Religionen?

Darüber kann man nachdenken. Es darf aber nicht der Eindruck erweckt werden, dass eine christliche Einrichtung keinen Wert auf ein erkennbares christliches Profil legt. Kirchliche Einrichtungen können nicht darauf verzichten, mit Menschen zu arbeiten, die nicht der Kirche angehören. Diese tragen dann aber mit dazu bei, einen kirchlichen Auftrag zu erfüllen.

Grundsätzlich halten Sie es aber für möglich, dass eine bekennende Muslima mit Kopftuch in einem evangelischen Krankenhaus arbeitet?

Es gibt da kein generelles Verbot. Entscheiden müssen die jeweiligen Einrichtungen. Diese treffen heute und in Zukunft, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, unterschiedliche Entscheidungen. Fest steht aber auch: Sie können solche Dinge nicht erzwingen.

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9 Kommentare

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  • @SHAMOUTI

     

    nehmen wir einfach mal an -

    es gilt das Grundgesetz -

    unsere Verfassung in ´schland -

     

    dann ist hättehätteFahrradkette-

    &Ende im Gelände

  • Was ist an dieser Entscheidung falsch? Angenommen, es gäbe ein islamisches Spital hierzulande. Nehmen wir an, ein nach islamischen Maßstäben "Ungläubiger" (welches Bekenntnisses auch immer) möchte dort arbeiten und dabei ein entsprechendes religiöses Symbol tragen. Es wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Diese Einschätzung wird ja auch deutlich von anderen Tatsachen unterstützt. So gibt es z.B. bereits Museen hierzulande, die bestimmten Kunstwerke ganz oder teilweise abgedeckt haben (oder hatten), weil sie nach islamischem Empfinden anstößig waren! Es gab muslimische Beerdigungen, für die es ein unüberwindliches Hindernis darstellte, daß der Trauerzug über den Friedhof hinweg an unverhüllten, christlichen Symbolen vorbei kam...

  • Tja - schon Luther war

    ein Fürstenknecht -

     

    der Apfel fällt nicht

    groß weit vom Birnbaum;

     

    im übrigen ist der Herr von

    rechtlicher Kenne weitgehend unberührt;

    auch - "sparen können" - hatte die erste Instanz bekanntlich anders entschieden;

     

    &Grundlage der Zurückverweisung ist

    ja wohl - ist das Krankenhaus noch ein

    evangelisches iS des Staatskirchenrechts - ?

    sind doch kath. wie evang. Krankenhaus

    in BO heute Unikliniken -

    vulgo - doppelte Staatlichkeit!

    a) via Staatsknete 90%plus

    b)inkorporiert in staatliche Einrichtung

     

    mit innerorganisatorischer Toleranz;

    Geltung der Religions- & Meinungsfreiheit etc

    braucht frauman dem Herrn Paster

    ja erst gar nicht kommen!

    Kopftuch bei Douglas-Pemfüm -

    schon mal gehört?

    Drittwirkung der Grundrechte

    im Arbeitsrecht!¿

    na - einfach mal was anderes als

    die eilige Schrift in der

    Luther-Übersetzung lesen;

    Protestant kommt doch nicht nur von

    Prost tata;-)

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    ...und vor diesem Hintergrund regen sich Leute darüber auf, dass in manchen (!) islamischen Ländern die christlichen Symbole verboten werden...

  • natürlich lehnt man die Steuern, ob sie Moslems oder sonstige Ungläubigen zahlen, womit Gehälter usw der Kirchen bezahlt werden nicht ab, das Mittelalter ist garnicht so lange vorbei und sitzt noch fest in manchen Köpfen, naja !

  • lieber Gott, nimm mir alles, nur nicht meine Ausreden!

  • "Kirchliche Einrichtungen können nicht darauf verzichten, mit Menschen zu arbeiten, die nicht der Kirche angehören. Diese tragen dann aber mit dazu bei, einen kirchlichen Auftrag zu erfüllen. "

    Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

    Was ist mit den Patienten die zwar krank aber nicht dem "kirchlichen Auftrag ausgeliefert sein wollen? Wer schützt die!

    Grundsätzlich entlarvt der Fall einen "staat im staate"!

    Hier grüßt in abgewandelter form der "scharia-gottesstaat" in all seiner anmaßenden Verblendung.

    Zeit die Sonderrechte der Religionen-kirchlichen Trägerschaften endgültig abzuschaffen, sie zu säkularisieren.

    Abschaffung der Kirchensteuer, Selbstfinanzierung der Religionssekten und endlich eine Befreiung von dieser Bevormundungsmafia!

  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    Wie war das nochmal mit Artikel 3Gg?

  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    Norbert Gross ist sicher: Jesus, der berühmte Jude, hätte auch so gehandelt.

     

    Schöne Grüße von der Scharia-Polizei, die Kerle wollen doch auch nur über Frauen bestimmen, weil es ihr imaginärer Freund so will. (Sammelt der Staat demnächst auch für die Steuer ein?)

     

    Säkularisierung hätte echt was!

    Aber schwer zu machen mit Ost-Pfarrers-Tochter als Kanzlerin, Ost-Pfarrer als Grüß-August und ner christianistischen Volkspartei.