Kolumne Press-Schlag: Drohnen drohen
Nach Belgrad wird der Antiterrorkampf über den Fußballfeldern ernst. Die große Lösung muss her: ein internationales Drohnenabwehrsystem.
E ine nette Balkananekdote – das mag sich manch einer leichthin gedacht haben nach den Ereignissen von Belgrad Mitte dieser Woche. Ein Drohne mit großalbanischer Flagge schwebte über das Stadion und löste beim EM-Qualifikationsspiel eine serbisch-albanische Keilerei aus. Der nationale Furor auf beiden Seiten beschäftigt nun auch die Uefa, die über Konsequenzen der Partie befinden muss.
Dass diese Geschichte aber auch Folgen wesentlich größeren Ausmaßes zeitigen muss, das hat sich unterdessen nur ausgewiesenen Experten erschlossen. Helmut Spahn etwa, der Generaldirektor des International Centre for Sports Security (ICSS), der höchsten Sicherheitsinstanz des internationalen Sports also, warnte eindringlich im Sportmagazin Kicker: „Die Abwehr von Drohnen muss jetzt auf die Agenda.“
Und auch in der Bundesliga begriffen weitsichtigere Verantwortungsträger wie Horst Heldt, der Manager von Schalke 04, dass die Bundesligavereine sich künftig nicht auf ihre eigenen Abwehrsysteme verlassen sollten. Man könne doch keine Leute aufs Dach stellen, damit sie mit dem Schrotgewehr Drohnen abschießen, bemerkte Heldt.
Die Lage ist ernst. Die Deutsche Fußball-Liga wird die Drohnenproblematik voraussichtlich im Rahmen der nächsten Sitzung der Kommission Prävention und Sicherheit besprechen. Der Fortschritt im Bereich der Elektromotoren ermöglicht den Bau von immer leistungsstärkeren und kostengünstigeren Flugmodellen. Moderne Regelungssysteme ermöglichen wiederum eine Steuerung dieser Systeme mit geringen Vorkenntnissen.
Eine Flugverbotszone über dem Stadion
Die große Lösung muss her: ein internationales Drohnenabwehrsystem. Warnte Spahn schließlich doch, mit Drohnen könne man auch biologische Waffen transportieren. Terroranschläge bei Großveranstaltungen wie einer Fußball-WM oder Olympischen Spielen wären demnach ein realistisches Bedrohungsszenario. Mit entsprechendem Ernst geht der ehemalige Sicherheitsbeauftragte des DFB die Angelegenheit an. Eine Flugverbotszone über dem Stadion, sinnierte er, halte er für keine effektive Maßnahme.
Möglicherweise ist Spahn schon bei den britischen Rüstungsfirmen QinetiQ und Sula Systems vorstellig geworden. Dort arbeitet man seit Jahren an einer einfachen Abwehrwaffe gegen Drohnen. Diese, so argumentieren die Firmen, würden immer preiswerter werden. Teure Raketenabwehrsysteme wären deshalb eine Verschwendung. Ein durchaus überzeugendes Argument. Wer will denn schon mit Kanonen auf Spatzen schießen? Das dürfte auch den DFB und die DFL überzeugen. Denn der Etat der Profivereine müsste in den nächsten Jahren nicht überdimensional belastet werden.
„Scheiß Fifa“
Der Antiterrorkampf über den Fußballfeldern, der durch die Belgrader Ereignisse nun an Fahrt aufgenommen hat, bringt obendrein noch andere positive Aspekte für die Fußballfunktionäre mit sich.
Denn die Lufthoheit über den Arenen dürfte sich auch als bedeutsam erweisen, wenn man lediglich vom Naheliegendsten ausgeht: dass Drohnen wie am Dienstagabend als politische Plattformträger genutzt werden. Mit einem hochmodernen Abwehrsystem muss sich niemand vor ferngesteuerten „Scheiß Fifa“-, „Scheiß DFB“-Bannern oder freischwebenden politischen Botschaften fürchten. Die Sportfunktionäre werden somit die Lufthoheit und Deutungshoheit behalten.
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