Streit um Gemeinnützigkeit: Attac wird zum Opfer des Finanzamts
Die Globalisierungskritiker von Attac sind nicht mehr gemeinnützig. Weitere NGOs müssen nun um ihren steuerbegünstigten Status zittern.
BERLIN taz | Es ist paradox: Auf der einen Seite stehen all die Würdigungen. Erst am Donnerstag hatte Bundespräsident Joachim Gauck bei einer Rede zu zivilgesellschaftlichem Engagement Attac namentlich gelobt. Aber: Es gibt noch andere Mächte. So den Anwendungserlass zur Abgabenordnung aus dem Bundesfinanzministerium. Dort ist definiert, wer als gemeinnützig anerkannt wird – und wer nicht.
Deshalb setzen Finanzämter immer wieder gerade jene unter Druck, die sich als besonders rege Demokraten verstehen. Jüngstes Opfer: Attac. Seit Monaten kämpft das globalisierungskritische Netzwerk mit Geschäftsstelle in Frankfurt darum, weiter als gemeinnützig zu gelten. Das ist relevant, weil davon abhängt, ob Attac-Spenden von der Steuer abgesetzt werden dürfen. Seit Jahren stellt das Amt die Gemeinnützigkeit in Frage. Nun beschied es erstmals, diese formell abzuerkennen.
Die Streitfrage: Kommt Attac einem Bildungsauftrag zur Demokratieschulung nach oder betreibt die Organisation zu viel Kampagnenarbeit – etwa für die Finanztransaktionsteuer? Attac betonte stets, als basisdemokratische Organisation ihr Engagement als politischen Bildungsauftrag zu leben. Viele Sommerakademien und Workshops, in denen die Ausrichtung der Organisation debattiert wird, sollen das belegen.
Deshalb sieht sich Attac im Recht und will dies im Zweifel durch alle gerichtlichen Instanzen durchsetzen. Geschäftsführerin Stephanie Handtmann sagt: „Das führt uns nicht in eine Existenzkrise, sondern wird viele unserer Unterstützer dazu bringen, jetzt erst recht an unserer Seite zu stehen.“ Kampagnen und Projekte seien nicht gefährdet.
Dennoch ist bereits vorsorglich der Etat für das kommende Jahr um rund ein Zehntel gekürzt worden. Etwa 90 Prozent des Haushalts von in diesem Jahr etwa 1,5 Millionen Euro werden durch Beiträge der 28.500 Mitglieder und durch Spenden finanziert. Bereits für 2014 kann derzeit keine Spendenbescheinigung mehr ausgestellt werden.
Forderung nach großzügigerer Regelung
Wenn selbst bei Attac die Dinge unklar sind, droht ähnlichen Organisationen ein ähnliches Problem, fürchtet Matthias Fiedler. Der Geschäftsführer der Bewegungsstiftung in Verden sagt: „Wir brauchen jetzt eine Debatte darüber, was unserer Gesellschaft bürgerschaftliches Engagement jenseits von Sonntagsreden wert ist.“
Zwar sind sämtliche parteinahen Stiftungen oder auch die Bertelsmann-Stiftung als gemeinnützig anerkannt, bei zivilgesellschaftlichen Organisationen machen die Finanzämter dagegen häufig Ärger. So bekamen es etwa die Solidaritätsinitiative Adopt a Revolution, der BUND Hamburg oder der feministische Frauenverband Courage ebenfalls mit den Finanzämtern zu tun, weil diese deren Gemeinnützigkeit in Frage stellten. Teils stehen auch hier, wie etwa beim BUND Hamburg, die endgültigen Klärungen noch aus, weil noch entsprechende Gerichtsverfahren anhängig sind.
Alarmiert ist auch Lothar Binding, Finanzexperte der SPD-Bundestagsfraktion. Binding, selbst Mitglied bei Attac, fordert: „Wir sollten zu großzügigeren Regelungen kommen, um bürgerschaftlichem Engagement mehr Raum zu geben.“ Ob das etwas ändert, ist nicht abzusehen.
Der jüngste Anwendungserlass stammt aus dem Januar 2014. Zumindest eines ist darin klar geregelt: „Schützenvereine können auch dann als gemeinnützig anerkannt werden, wenn sie nach ihrer Satzung neben dem Schießsport auch das Schützenbrauchtum fördern.“
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