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AusstellungSonnenbilder aus Sonnenlicht

Sehnsucht der Digitalen: Die Fotografin Lisa Oppenheim und der Dichter Karl Larsson suchen im Hamburger Kunstverein nach Sicherheiten.

Ein inzwischen unüblicher Zusammenhang: Mondbilder von Lisa Oppenheim mit Mondlicht geschaffen. Bild: Kunstverein

HAMBURG taz | Eine Fotografin, die älteste analoge Techniken nutzt, und ein Dichter, der die Poesie lieber den Dingen einschreibt als den Worten: Die in der digitalen Welt aufgewachsenen Künstler, geboren in den Siebzigerjahren, suchen mehr denn je die Rückversicherung im materiellen Bestand der Welt. Das scheinen jedenfalls die beiden Ausstellungen nahezulegen, die jetzt im Kunstverein in Hamburg zu sehen sind.

Die New Yorker Künstlerin Lisa Oppenheim untersucht die Grenzen der Fotografie und geht dabei weit zurück – bis zu der Frage, in wieweit das Bild überhaupt als ein Stellvertreter der Dinge funktionieren kann. Und Karl Larsson aus Schweden glaubt, dass ein gemaltes „th“, vielleicht Teil des Wortes „Death“, vielleicht ein lebensresümierender Todesseufzer, mehr über die letzte Bestimmung sagen kann, als ein langes Gedicht.

Stark theoretisch sind beide Ausstellungen fundiert. Aber sie finden zu sehr poetischen Vergegenständlichungen, sie können ihren konzeptuellen Ansatz überzeugend in künstlerische Form übersetzen. Das kommt oft auch eher beiläufig daher, denn Rauch und Wolken, die Reflektionen von Sonne und Mond oder die Objektivierungen poetischer Gedanken sind nur schemenhaft fassbare Erscheinungen. Doch ein aus Kupfer geformtes Profil des französischen Dichters Rimbaud, das mit Elbkieseln gefüllt wurde, oder ein nur auf die ephemeren Formen des Rauchs aus einem Brennofen fokussierter und mit ganz realer Keramik kombinierter Bildausschnitt eines schon musealen Fotos des mexikanischen Fotografen Manuel Álvarez Bravo funktionieren als Übertragung konzeptueller und medientheoretischer Ideen – der Saalzettel hilft beim Verständnis.

Beiden, im Detail sehr verschiedenen Künstlern, geht es darum, die verschiedenen Realitätsebenen hinter den Erscheinungen aufzuzeigen. Wie wird eine Spielplatz-Rutsche zum Reliefbild, wie kann ein hauchdünn geschliffenes Holzfurnier als direkt belichtetes Fotogramm zu einem Abbild seiner selbst werden – und das noch in einem Rahmen aus eben dem gleichen Holz?

Auch wenn die Ergebnisse von Lisa Oppenheims Fotoarbeiten viel perfekter aussehen, als die aus dem 19. Jahrhundert: Eigentlich ist dies eine fotografische Wunderkammer wie aus den Anfängen dieser Bildtechnik. Denn Belichtungen mittels Sonnen und Mondlicht, gar durch eben jenes Feuer, das den abgebildeten Rauch erzeugt, zwingen das Bild und sein Abbild in einen inzwischen sehr unüblichen unmittelbaren Zusammenhang. Sonnenmotive durch Sonnenlicht, Mondmotive durch Mondlicht gemacht – das vermittelt in seiner nur noch selten erwarteten Suche nach Einheit hinter aller Konzeptualität einen fast magischen Weltzugang.

Die Reflexionen sind dabei komplex: Wenn in langer Reihe 30 Ausschnitts-Abbildungen von Sonnen gegenüber dem Fenster aufgestellt sind, dann handelt es sich nicht nur um mit Sonnenlicht erstellte Prints, sondern auch um Detail-Ausschnitte der Katalog-Dokumentationen aller jener einst gemalten oder sonst wie abgebildeten Sonnen, die in der Geschichte des Hamburger Kunstvereins jemals dort ausgestellt wurden.

Die metallisch schillernden Schwarz-Weiß-Fotos geben eine komplex konnotierte historische Referenz, die zu entschlüsseln man ein maximal informierter Kunsthistoriker sein müsste. Aber auch ohne diese Suchbild-Funktion sind sie eine deutliche Demonstration der Unterschiede zwischen Bild, Abbildung und abbildendem Medium.

Die Bildreflexionen der Lisa Oppenheim beziehen sich manchmal auch nur sehr indirekt auf die Fotografie und ihre Geschichte. Fotografische Prinzipien, wie die einst von William Henry Fox Talbot 1835 erfundene Positiv-Negativ-Technik, kann sie auch in gewebten Stoffen entdecken. Dazu benutzt sie historische, von Lochkarten gesteuerte Webstühle. Sie manipuliert die noch analoge Programmierung dieser inzwischen nur noch als Museumsobjekte zugänglichen Maschinen, um fehlerhafte Gespinste zu erhalten, die wie die Positive und die Negative eines eingegebenen Musters wirken: eine irritierende Demonstration einstiger fotografischer Prinzipien, nun aber in der Welt industriell produzierter Gegenstände. Dass die Muster dazu aus der Sammlung des bedeutenden New Yorker Konzept-Kunst-Galeristen Seth Siegelaub stammen, ist eine weitere, eher interne Referenz an den Kunstbetrieb.

Auch etwas so fein Schwebendes wie die Doppelprojektion sich ändernder Rauch-Wolken im hintersten Raum verdankt ihre altertümlich körnig düstere Wirkung einem höchst komplexen Produktionsprozess: Lisa Oppenheim übertrug Amateuraufnahmen aus dem Internet auf 35mm-Film, belichtete davon Abzüge im Schein offener Flammen und animierte anschließend die so erhaltenen Spuren vulkanischer Ausbrüche und industrieller Verschmutzung am Computer.

Beiden aktuellen Ausstellungen im Kunstverein ist bei aller Unterschiedlichkeit die Referenz auf schon vorgefundene Bilder und Texte, das Neudurchdenken scheinbar längst klassischer Positionen gemeinsam. Beim Dichter-Künstler Karl Larsson geht es im Erdgeschoss um die Rezeption der „Buddenbrooks“ von Thomas Mann und mit Rimbaud um dessen literaturgeschichtlichen Antipoden. Nackte Regenschirme verbreiten hier surrealistische Poesie und ein scheinbar lebendig gewordener Stuhl entführt in die Comic-Welt (mit dem unwiderstehlichen Titel: „Ich sah Dich mir glauben“).

Als Bauzitat von Berliner Tordurchfahrten ruft die Plastik eines halbrunden „Abweisers“ massiv zur Vorsicht – wobei der Titel ungewohnt wichtig wird: „Du musst immer bereit sein, jederzeit ein freundliches Gespräch zu unterbrechen.“

Und da ein dreiköpfiger Zerberus wie in der griechischen Mythologie kein Fleisch, nur Geist passieren lässt, ist spätestens angesichts dieser kleinen Bronze dem Kunstverein und seiner Leiterin Bettina Steinbrügge zu einem Paar interessanter, geistvoll reflexiver Ausstellungen zu gratulieren.

Lisa Oppenheim „Forever Is Composed Of Nows“, Karl Larsson „North Western Prose“: bis 18. Januar, Di – So, 12 – 18 Uhr, Kunstverein in Hamburg, Klosterwall 23, www.kunstverein.de

Künstlergespräch mit Karl Larsson: Mittwoch, 8. Oktober, 18 Uhr

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