piwik no script img

Mautplan der BundesregierungIm Vorbeifahren überwacht

Datenschützer kritisieren Dobrindts Mautpläne und warnen vor gläsernen Autofahrern. Schon jetzt scannen Lkw-Mautstellen nicht nur Lkws.

Mautstellen scannen Nummernschilder, Größe, Achsenzahl und eine Schrägansicht aller vorbeifahrenden Fahrzeuge. Bild: dpa

BERLIN taz | Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bekommt Gegenwind für seine am Donnerstag vorgestellten Mautpläne. Dabei geht es weniger um das ökologisch fragwürdige Signal als um Datenschutzfragen. Denn Dobrindt hat sich von seiner vorherigen Idee einer Plakette verabschiedet. Stattdessen möchte er nun die auf den Autobahnen bereits für die Lkw-Maut installierten Stationen nutzen, um die Kennzeichen aller Fahrzeuge zu erfassen. So sollen Mautsünder entdeckt werden.

Bei Datenschützern stößt das auf Kritik. „Der Autofahrer darf durch das Mautgesetz nicht gläsern werden“, sagt Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar. Er fordert, die Zweckbindung, nach der die Daten ausschließlich zur Mauterhebung genutzt werden dürfen, aufrechtzuerhalten. Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff verlangte in der Rheinischen Post mindestens die gleichen datenschutzrechtlichen Standards wie bei der Lkw-Maut.

Auch vom Koalitionspartner kam Kritik: „Lkw-Fahrer sind nicht mit 40 Millionen Autofahrern zu vergleichen, die ihr Fahrzeug vorranging privat und nicht beruflich nutzen“, sagte der SPD-Vizefraktionsvorsitzende Sören Bartol der dpa. Dobrindt verteidigte seine Pläne. Nach der Abfrage, ob ein Pkw-Halter die Maut beglichen habe, würden die Daten sofort wieder gelöscht und nicht weitergegeben, auch nicht an Behörden.

Momentan funktioniert die Kontrolle so: Mautstellen scannen Nummernschilder, Größe, Achsenzahl und eine Schrägansicht aller vorbeifahrenden Fahrzeuge. Zeigen die Abmessungen, dass es sich nicht um einen Lkw über zwölf Tonnen handelt, wird das Fahrzeug aussortiert – nach Angaben des Systembetreibers Toll Collect kommt es dann gar nicht erst zu einer Speicherung der Daten. Handelt es sich um einen mautpflichtigen Lkw, folgt ein zweiter Abgleich: Hat der Halter die Maut gezahlt oder nicht? Nur falls nicht, werden die Daten aufgehoben. Analog würden künftig Pkw-Kennzeichen erst gelöscht, wenn klar ist, dass der Halter die Maut gezahlt hat.

Verwendung der Mautdaten nur eine Softwarefrage

Die Daten dürfen nur zur Mauterhebung genutzt werden. Doch alle paar Jahre gibt es Vorstöße, diese Regelung aufzuweichen. Vor einem Jahr forderten Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) sowie der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) eine Nutzung der Daten für die Strafverfolgung, 2006 hatte schon der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) darauf gedrängt.

Erst am Donnerstag wurde ein Mann verurteilt, der aus seinem Lkw aus auf andere Lastwagen feuerte. Bei der Fahndung nach ihm durften die Ermittler die Mautdaten nicht auswerten. Die Polizei enttarnte ihn stattdessen mithilfe der automatischen Kennzeichenerfassung. Bei der werden unabhängig von der Mautkontrolle Nummernschilder per Videokamera gescannt. Das darf laut einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2007 aber nicht anlasslos oder flächendeckend eingesetzt werden.

Tatsächlich ist die Verwendung der Mautdaten nur eine Softwarefrage. Welche Daten überhaupt und wie lange gespeichert werden, ließe sich per Gesetz schnell ändern. Rena Tangens vom Verein Digitalcourage befürchtet daher genau das: „Ich kann mir gut vorstellen, dass das Verwertungsverbot für die Fahndung dieses Mal aus dem Gesetz rausbleibt.“ Die Debatte über den Lkw-Schützen komme da gelegen. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Caspar sieht ein grundsätzliches Problem: „Wo Daten vorhanden sind, werden oft Begehrlichkeiten geweckt.“ Das müsse von vornherein verhindert werden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Was heisst hier 'gläserner Autofahrer', Fakt ist, wir werden mehr und mehr zum 'gläsernen Bürger'. Gesichtserkennung in den Städten, Fahrzeugüberwachung auf unseren Straßen. Der Staat weiß was du kaufst (Plastikgeld), wo du hinfährst, wo du rumläufst. Wie sagte Urban Priol doch so schön, irgendwann hängt dann eine Kamera in jedem deutschen Schlafzimmer, und der deutsche Michel sagt "ach, was soll's, ist doch wirklich nicht so schlimm, ich hab' ja nichts zu verbergen...".

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Ist das denn wirklich so schlimm wenn man feststellen kann wer, wann, wohin gefahren ist. Ich denke das würde bei der Aufklärung und Prävention von Verbrechen helfen. Letztendlich gibt es doch schon in jeder Stadt Verkehrskameras, die zumindest den fließenden Verkehr verfolgen. Eine klare gesetzlich Regelung für die Nutzung der Daten würde doch ausreichen.

    • @738 (Profil gelöscht):

      die dann immer mehr aufgeweicht werden - wehret den anfängen

    • @738 (Profil gelöscht):

      Welche Verbrechen denn? Wieveil Angst muss in Menschen wohnen, dass sie ständig und allerorts nach immer mehr Überwachung rufen und meinen ihre eigene Sicherheit so zu erhöhen? Was ist da eigentlich los in diesem Land und eigentlich im Westen im Allgemeinen?

       

      Zählt für Sie so etwas wie Privatsphäre, Selbstbestimmtheit oder meinungs- und Gedankenfreiheit nicht mehr?

      • 7G
        738 (Profil gelöscht)
        @Jean Noire:

        Vielleicht reicht auch ein Schutzmann zu Fuß mit Säbel und Trillerpfeife aus, aber warum soll man ausgerechnet bei der Verbrechensbekämpfung auf Technik verzichten?

      • @Jean Noire:

        es ist wie im Tierreich-die Tiere in der Wildnis sind den Gesetzen des Leben und Überlebens ausgeliefert, die anderen leben im Zoo, in Käfigen-man kann natürlich die Tiere nicht fragen, wo und wie sie lieber leben möchten, Menschen schon!

  • Jaja. Haben ja damals, als Toll Collect kam, wieder so viele Gutgläubige der Regierung vertraut: Natürlich wird das NIEMALS für etwas anderes genutzt, als nur für LKW-Maut.

  • Aha... und dann kassiert Toll Collect weitere Milliarden von der Pkw-Maut und das aufgrund von Verträgen, die nicht veröffentlicht werden?

     

    Und wer glaubt noch an das Märchen, dass irgendwelche Daten die einmal erhoben werden, sofort wieder gelöscht werden? Vorher greift sich sicher der BND und die NSA die Daten ab.... das wird auch sicherlich eine der nächsten Enthüllungen aus Snowdons Daten sein, dass die NSA jetzt schon die Toll Collect Daten erhält....