Inklusion mit der Bibel: Altes Testament für alle
Das Büro für Leichte Sprache hat die biblische Josefsgeschichte übersetzt. Das Feedback der Zielgruppe war bei dem ökumenischen Projekt ein Kernaspekt.
BREMEN taz | Für 19,80 Euro gibt es jetzt die alttestamentarische Josefsgeschichte „in verständlich“. Das Bremer Büro für Leichte Sprache der Lebenshilfe hat den biblischen Text in einfache Bilder und unkomplizierte Sprache übersetzt. Gedacht ist „Die Geschichte über Josef in Leichter Sprache“ vor allem für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung. Für Seh- und Hörbeeinträchtigte ist zudem ein Hörbuch und ein Gebärdenvideo enthalten.
„Die Texte sind so geschrieben, dass möglichst jeder sie verstehen kann“, so Judith Nieder vom Büro für Leichte Sprache. Dabei gibt es klare Regeln: keine Fremdwörter, kurze Sätze, einfache Sprache und klare Bilder. Die Verständlichkeit evaluierte die Zielgruppe direkt selbst: Das inklusive Netzwerk Leichte Sprache hat sich seit April einmal pro Woche getroffen und dabei „schwere Sätze gestrichen und unverständliche Bilder zurückgegeben“, wie Oliver Neddermann aus der Lebenshilfe erzählt. Der Illustrator Stefan Albers musste manches Bild bis zu sechs Mal überarbeiten, bis die Prüfer es durchgewunken haben.
Das Bremer Büro für Leichte Sprache war das erste seiner Art und besteht seit mittlerweile zehn Jahren. Die Idee sei damals nach einer Sitzung im Bremer Behindertenparlament entstanden, so Andreas Hoops, Geschäftsführer der Lebenshilfe Bremen. „Anträge wurden dort von Betreuern vorgelesen und nur mäßig verstanden, der Ruf nach mehr Verständlichkeit ist laut geworden“. Ähnlich herkömmlichen Sprachbüros sollte eine Anlaufstelle für Übersetzungen in leichte Sprache entstehen. „Gesellschaftliche Partizipation ist nur durch Kommunikation möglich“, so Hoops. Inzwischen sind die Bremer bekannt, geben Fortbildungen und sind Vorbild für Büros in anderen Städten. „Leichte Sprache ist en vogue“, fasst Hoops zusammen.
Die Weihnachtsgeschichte ist schon vergriffen
Das Büro hat neben Gesetzestexten, Verträgen, Bedienungsanleitungen und Beipackzetteln sogar die Genfer Konventionen und Fußballregeln in leichte Sprache übersetzt. 2010 übersetzte man mit einer Weihnachtsgeschichte das erste Mal Fiktion, sie ist inzwischen vergriffen. Die Josefsgeschichte entstand als zweiter Band eines Bibelprojekts, das die Aktion Mensch mit 250.000 Euro unterstützt. Im März erschien bereits die Ostergeschichte (taz berichtete), von der nur noch wenige Exemplare zu haben sind. Zwei weitere Bände sind noch in Planung. Als nächstes ist die Schöpfungsgeschichte dran.
Die Fokussierung auf Bibelstoff ist laut Hoops dem Markt geschuldet. Das Büro finanziert sich selbst – die herausgegebenen Bücher müssen sich also verkaufen. „Deswegen übersetzen wir das Buch der Bücher, da ist die Nachfrage konstant“, so Hoops. Eine weltliche Geschichte sei auch schon in Planung.
13 TestleserInnen
Oliver Neddermann jedenfalls ist mit dem 57-seitigen Buch zufrieden: „Es ist eine sehr spannende Geschichte.“ Das Lektorieren zusammen mit zwölf anderen Menschen aus der Lebenshilfe hat ihm Spaß gemacht.
Die Erzählung konzentriert sich auf anschlussfähige Themen in der Lebenswelt von Menschen mit Behinderungen. Der rote Faden der Erzählung ist Familie, Streit und Versöhnung. Aber auch „Sex and Crime“ kommt nicht zu kurz, wie Hoops mit dem Verweis auf eine Textstelle ausführt, in der die Frau von Josefs Besitzer mit ihm fremdgehen will.
Das liest sich in leichter Sprache dann so: „Potifar hat eine Frau. Die Frau von Potifar will mit Josef schlafen. Aber Josef will das nicht. Josef sagt: Dein Mann vertraut mir. Und er ist gut zu mir. Du bist seine Frau. Ich weiß: Deshalb ist es falsch, wenn ich mit dir schlafe. Die Frau von Potifar will aber unbedingt, dass Josef mit ihr schläft. Sie versucht jeden Tag, Josef zu überreden. Aber er schläft nicht mit der Frau von Potifar.“ (Vergleich: siehe Kasten).
Auch als Hörbuch zu haben
An der Hörbuchversion arbeitete die Münchner Schauspielerin Myriam Utz. Diese entstand im Tonstudio wiederum unter der direkten Evaluation von acht Prüfern aus der Lebenshilfe München. Für die Schauspielerin war vor allem das direkte Feedback eine „tolle Erfahrung“, in dessen Folge sie sich bemühen sollte, die Sätze nicht zu schnell und neutral, sondern „eher wie im Krimi mit Action“ zu betonen. Die gemachten Erfahrung bei Artikulation und Betonung könne sie auch künftig auf der Bühne einsetzen, so Utz.
Damit der Inhalt der Geschichte theologisch haltbar ist, stand der Lebenshilfe-Arbeitskreis Theologie und Seelsorge mit ökumenischer Expertise dem Bremer Büro zur Seite. Zusammen haben sie eher unverständliche Bilder wie Traumsequenzen, in denen sich elf Getreidegarben sinnbildlich für Josefs Brüder vor ihm verneigten, in einfache Motive umgewandelt und Redundanzen verkürzt.
Ökumenischen Differenzen kamen dabei laut dem Pädagogen und Theologen Martin Merkens dank der leichten Sprache nicht zum Tragen.
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