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GedenkenHeimat, Pop und Leberwurst

Die Nacht der Jugend spannt in fast problematischer Vielfalt einen Bogen von Pogromnacht bis zu Fragen heutiger Flucht und Migration.

Gemeinsam feiern und gedenken: Besucherinnen der Nacht der Jugend im Rathaus. Bild: Koopmann

BREMEN taz | Die Vielfalt des Programms kann Bauchschmerzen machen. Denn es ist nicht ganz einfach, ruhigen Gewissens ein Popkonzert in der großen Halle des Rathauses zu genießen, wenn ein paar Türen weiter über den Horror der Kinder-Euthanasie in Bremen gesprochen wird. Solche scharfen Kontraste gehören zum Konzept der „Nacht der Jugend“, die am Sonntag zum 17. Mal stattgefunden hat. Mit der jährlichen Gedenkveranstaltung erinnern Jugendliche an den Novemberpogrom von 1938.

Helmut Hafner aus der Senatskanzlei hat das Projekt von Anfang an begleitet. Die Mischung von Unterhaltung und Gedenken sei eine „Gratwanderung, die auch kippen kann“, sagt er. Aber es sei auch eine einmalige Chance, Jugendliche anzusprechen, „an die man sonst nicht ran kommt“.

Und das funktioniert: Zwei Mädchen, die eben noch jubelnd vor der Bühne standen, sitzen eine halbe Stunde später im Senatssaal und hören aufmerksam dem diesjährigen Ehrengast James Schultz zu. Er ist aus New York gekommen, wohin seine jüdische Mutter 1938 aus Bremen geflohen ist. Er erzählt, wie sie darunter gelitten habe, in der Fremde zu leben. Und darunter, dass ihre beste Freundin sie plötzlich nicht mehr treffen wollte. „Weil du Jüdin bist“, war ihre Begründung. Andere Verwandte wurden im Konzentrationslager ermordet.

Schultz hat das Exil seiner Mutter auch als ein eigenes Fremd-Sein erfahren. „Unsere Nachbarn haben sich Erdnüsse aufs Brot geschmiert“, sagt er. „Und wir Leberwurst.“ Was Heimat ausmacht, ist die Leitfrage der diesjährigen Nacht der Jugend. Richtig drängend wird sie erst in der Fremde. Wenn man gezwungen ist, woanders neu anzufangen. Das gilt nicht nur für den Gast aus New York, sondern auch für einige jugendliche BesucherInnen. Zwei von ihnen sind als „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ nach Bremen gekommen. So heißt das in Behördensprache. Sie präsentieren einen Leitfaden, der anderen den Weg durch den Verwaltungsdschungel erleichtern soll. Ansonsten aber sind hier einfach junge Menschen, die mit anderen feiern.

Alle haben den gleichen irritierten Blick, als die die Band „Rockabilly Riot“ die Bühne betritt. Junge Männer mit Schmalz-Frisuren und rot-weißen Karohemden kostümiert. Ihr „großes Idol“, so sagen sie, sei Johnny Cash. Diese Musik, die kaum amerikanischer sein könnte, ist mehr als Hafners Köder zum Gedenken. Denn die Freude am Spektakel – am Pop – haben sie alle gemeinsam. Von den GymnasiastInnen aus Schwachhausen, über das Integrationsprojekt aus Tenever bis zu den Flüchtlingen. „Globalisierung schafft ein Bedürfnis nach zu Hause“, hat Hafner gesagt. Und das hat für die gemeinsam Feiernden offenbar mehr mit Hip-Hop zu tun als mit Volk und Nation.

Wie bedeutend dieser Unterschied ist, belegt ein Bericht von Barbara Johr, die in Bremen das Stolpersteine-Projekt leitet. Für die Jugendlichen von 1938 „war das Pogrom ein Event“, sagt sie. Man habe sich tags darauf in der Schule verabredet, um gemeinsam zu verwüsten, was die SA ihnen übrig gelassen hatte.

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