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Kolumne Press-SchlagWeiße Schafe gibt es überall

Kolumne
von Johannes Kopp

Wie korrupt war die Vergabe der Fußball-WM 2018/2022? Dass es in den Fifa-Gremien zwei Meinungen hierzu gibt, darf schon als Demokratisierung gelten.

Zwei Stühle, zwei Meinungen: Michael Garcia (links) und Hans-Joachim Eckert. Bild: dpa

E ine weitere Fifa-Posse – nicht mehr und nicht weniger. Das dachte man noch am Donnerstagmorgen, als der Bericht von Hans-Joachim Eckert, dem Vorsitzenden der Ethikkommission des Weltfußballverbands, publik gemacht wurde. Eckert attestierte nicht nur seinem Arbeitgeber, der Fifa, dass bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2018 und 2022 an Russland und Katar im Großen und Ganzen alles mit rechten Dingen zuging.

Dass die zahlreichen aufgeführten individuellen Korruptionsverfehlungen in seinem Bericht also eher als Fußnoten zu betrachten seien. Eckert sprach seinen Chef, den Fifa-Präsidenten, auch nicht nur frei von jeglichen unlauteren Verdächtigungen. Er würdigte ihn gar – in einem Korruptionsuntersuchungsbericht wohlgemerkt – als großen Reformer, der wichtige Demokratisierungsprozesse in der Fifa angestoßen habe. Gemeint hat Eckert damit wohl auch die Schaffung seines eigenen Arbeitsplatzes. Kurzum, der Bericht hätte von der PR-Abteilung der Fifa kaum besser formuliert sein können.

Wenige Stunden später allerdings war man völlig irritiert. Hatte Eckert da doch zu recht die zarten Anfänge einer neuen Entwicklung ausgemacht? Denn Michael Garcia, der ermittelnde Vorsitzende der Fifa-Ethikkommission, meldete sich zwei Stunden nach der Veröffentlichung von Eckerts Bericht zu Wort: Der deutsche Richter habe seine Untersuchungen und Schlussfolgerungen unvollständig und fehlerhaft zusammengefasst.

Zwei Meinungen in der Fifa? So pluralistisch ging es in der vielfach beschworenen Fußballfamilie noch nie zu. Da kann man durchaus Blatter zugute halten. Schließlich hat er neben Eckert auch den ehemaligen Ermittler der US-Bundespolizei ins Haus geholt. Vermutlich in Verkennung von Garcias Persönlichkeit, aber letztlich zählt wie auf dem Rasen nur das Ergebnis.

Einer Kulturrevolution innerhalb der Fifa wird dieser Zwist trotzdem nicht den Weg ebnen. Fifa-Generalsekretär Jérôme Valcke äußerte sich am Freitag bereit besorgt ob der Meinungsvielfalt: „Wir können einfach nur sagen, dass es traurig ist, dass die beiden Vorsitzenden unserer Ethikkommission unterschiedliche Meinungen haben, wenn wir über solch wichtige Dinge im Fußball reden.“ Mit der Veröffentlichung des Garcia-Berichts, den Eckert auswertete, könnte man eine Debatte mit großem Erkenntnisgewinn führen. Wer hat die besseren Argumente? Daran wird die Fifa gewiss nicht interessiert sein.

Ob die integre Aufarbeitung der dunklen Vergangenheit eine bessere Zukunft verspricht, ist wiederum eine ganz andere Frage. Dafür bräuchte es weit mehr als den Mut eines Einzelnen zum Widerspruch. Zeigt doch der Eckert-Bericht trotz aller Schönung deutlich auf, die Korruption in der Fifa ist systemimmanent. Die Einzigen, die bei der WM-Vergabe keinen Betrugsversuch unternommen haben, sind nachweislich die Belgier und die Niederländer mit ihrer Doppelbewerbung gewesen.

Und dieser Umstand ist die eigentliche Überraschung des Reports der Ethikkommission. Es gibt tatsächlich Fußballverbände, welche die Funktionsweise des Fifa-Systems immer noch nicht verstanden haben und sinnlos öffentliche Geld für ein derartiges Bewerbungsverfahren investieren. Im Grunde genommen ist dies angesichts der Verfasstheit der Weltfußballverbands der größte Skandal.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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2 Kommentare

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  • Ja, hier handelt es sich tatsächlich um eine weitere Posse!

    Nun kommt auch nochmals unsere „Lichtgestalt“ Beckenbauer mit seinem „Schattenmann“ Rademann in das Visier der Fahnder! Letzterer ist bis heute sein treuester Begleiter, wohin es auch immer geht. Der Schweizer Berater, Freund, Strippenzieher und vielseitiger Geschäftsmann hatte bereits bei dem damaligen Adidas- Erben, H. Dassler, der später Chef der berüchtigten und insolventen Vermarktungsfirma ISL wurde, sein weites internationales Informationsnetz zu allen Größen der Kultur, Politik und des Sportes aufspannen können, das auch Gefallen seiner u.a. damaligen Kollegen, Sepp Blatter und Thomas Bach fand…..

     

    Die FIFA-Ermittler, die nun sogar von FBI und aus Kreisen der europäischen Politik unterstützt werden, erinnerten sich plötzlich, dass der „Kaiser“ kurz nach der Vergaben beider Weltmeisterschaftsturniere nach Russland und Katar sein FIFA -Mandat 2009 überraschenderweise niederlegte und kurz danach Sportbotschafter der russischen Energiewirtschaft wurde. Auch die vermuteten Mauscheleien mit dem australischen Fußballverband, bezüglich der Vergabe der WM der Frauen, sollen u.a. Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.

    Wenn der DFB Anfang Dezember viele europäische Vertreter nach Frankfurt einlädt, wäre es natürlich von großem Vorteil, wenn sie zuvor endlich alle 350 Seiten des kompletten Untersuchungsberichtes des amerikanischen Chefermittlers, Garcia, statt des kleinen nur 42 Seiten umfassenden Auszuges des anderen Chefs der FIFA-Ethikkommission und Münchener anerkannten Strafrichters, Eckert, lesen könnte!

     

    Nach wie vor ist aber für Beckenbauer Blatter der beste Präsident, den es je gab. Zumindest bis zu seinem Abschied wird er zu ihm immer sagen : „Sepp“, ich bin froh, dass es dich gibt!“

  • Eigentlich müsste es eine Klage von Seiten der Benelux-Staaten kommen, wenn sie als einzige nachweislich sich nicht an der Koruption des FiFa-Verbands beteiligt haben.

    Das wär was, die WM per Gerichtsverfahren wegen Koruption ALLER Beteiligten in die Niederlande hohlen. Das würde die FiFa mal aufrütteln.