piwik no script img

Lust auf StadtTourist ist kein Schimpfwort!

Billigangebote und Geldfieber machen aus weltoffenen Touristen kulturzerstörende Chaoten. Und die Anwohner werden zu Spießern. Fünf Beispiele.

Verschnaufpause vor dem Centre Pompidou in Paris. Bild: imago/Herb Hardt

BERLIN taz | Kosmopolit oder Tourist? Während Ersterem der beneidenswerte Ruf von Weltoffenheit und Welterfahrung vorauseilt, wird der Tourist gern als selbstsüchtiger, engstirniger Trampel gesehen. Unbeholfen, langsam, laut stolpert er durch Europas Städte und stört die Bewohner vor Ort.

Er kommt meist als Masse daher, dank Billigflieger, die den Städtetourismus erst anfeuern und auf wachsend hohem Niveau halten. Vor allem die fünf Topstädte, London, Paris, Berlin, Rom und Barcelona, stehen auf dem Reiseplan, wobei Berlin die höchsten Zuwächse aufweist.

Dank Airbnb dringt der Tourist weltweit in die geheimsten Winkel und letzten Hinterhöfe vor. Erfahrungstourismus nennt man dies heute. Die privaten Gastgeber sind längst keine Freunde mehr, sondern Nutznießer eines einst gutgemeinten Tauschhandels, der längst zur Schattenwirtschaft degenerierte, die dem offiziellen Hotelgewerbe Konkurrenz macht.

Wenn Wohnungen nicht mehr zum Wohnen dienen, sondern zum Geldmachen, dann rückt der Tourismus auch den Mietern auf die Pelle. Und Tourist wird – mehr denn je – zum Schimpfwort.

Die Touristen-Schmähliste ist lang. Trotz alledem giert das Stadtmarketing der Städte nach immer mehr Touristen. Die Städte kennen den ökonomischen Nutzen. Und genau dieses Verwertungsinteresse banalisiert den Touristen. Er wird zur Kuh, die gemolken werden kann. Das ist sein unausweichliches Schicksal im organisierten Tourismus.

Mit dieser ökonomischen Banalisierung hat der Kosmopolit nichts zu tun. Er ist der Grandseigneur, der reist, die Welt kennt und begreift. Er, der Individualist, distanziert sich von der plumpen Masse, die noch in jedes kulturelle Fettnäpfchen tritt. Dabei hat sich noch jeder weltoffene Kosmopolit irgendwann aus einem Touristen entpuppt.

Tourismus ist immer so gut wie die Struktur, in der er sich bewegt, in der Touristen bewegt werden. Wo nur noch auf Masse und schnellen Profit geschaut wird, wie bei den Billigfliegern, ist der Qualitätsverlust programmiert. Wo zahlende Touristen mit Dumpingpreisen beworben werden und mit schnellen Events und billigen Kulturvergnügen abgespeist werden, bleibt der Horizont, die Stadterfahrung begrenzt.

Nicht der Tourist ist der Störenfried. Nachhaltig störend ist die Art wie mit ihm schnelle Geschäfte gemacht werden.

Die taz berichtet aus fünf Großstädten, die weltweit um Touristen buhlen.

1. New York, New York

2. Istanbuls Altstadt, ein Freilichtmuseum

3. Paris ist Spitze

4. Auf Pilgertour in Rom

5. Willkommen in Dublin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Besucher verkommen zu Touristen.

    Während man als Besucher sich auf etwas einlässt, um etwas Neues oder etwas neu zu erleben, macht man als Tourist eine Stippvisite, bei der die Orte zu Kulissen des Herumfahrenden verkommen und im Falle des Massentourimus ihre Eigentümlichkeiten verlieren. Das ist umweltmäßig - ökologisch und für die Einwohner - eine Katastrophe und wirtschaftlich für die dort Beschäftigten nicht sehr erprießlich - die Jobs im Hotel- und Gaststättengewerbe sind notorisch schlecht bezahlt. Aber die Politik freut's, weil diese Massen sich daheim und unterwegs ruhig verhalten. Schließlich erwächst aus der Fülle der Routen ein dichtes Netz erneuerter Vorurteile: Der Zigeuner auf Zeit mag Zigeuner eben immer weniger - eine Art von Selbsthass, der sich an Sündenböcken entladen kann - oder anders: Wem als Tourist die Welt fremd bleibt, mag zuhause keine Fremden ...

    • @Gottfried Scherer:

      Touristen sind immer die anderen. Man selber hat natürlich immer nur hehre Ziele (insbesondere im linksalternativen Akademikerbereich). Es ist halt letztlich auch eine Massenfrage. Wenn die Besucher die 10 fache Menge der Einheimischen erreicht hat ist mit neues erleben und auf die Menschen dort einlassen irgendwann Sense. Das ist halt ein grundsätzliches Problem, Goethe konnte noch auf hohem Niveau nach ITalien fahren, er hatte dazu auch noch Zeit, der moderne Mensch der mit 80 Millionen Mitbüger in Urlaub fährt, kann auf diesem Niveau garnicht reisen. Es muss dann auch kanalisiert werden. Wenn jeder alleine loszieht z.b. in Umweltschutzgebiete wird mehr kaputt gemacht, als wenn es touristisch kanalisiert wird.

      • @ernstl:

        Missverständnisse sind leider nie auszuschließen... Ist es so unvorstellbar, dass jemand in 20 Jahren privat nur 15.000 km Bahn in die nähere Umgebung zurückgelegt hat, im Ausland wohnt und die dortige Sprache erlernt hat?