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Kommentar Proteste in den USAVollkommenes Justizversagen

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

In den USA herrscht eine Straflosigkeit in Fällen von Polizeigewalt, wie man sie sonst nur aus korrupten Staaten der sogenannten Dritten Welt kennt.

Auch hier nur Unverständnis: Protest in Washington. Bild: dpa

E s fällt schwer, ein Justizsystem noch ernst zu nehmen, das solche Entscheidungen hervorbringt: Gegen den weißen Polizisten Daniel Pantaleo, der im Juli in New York den Schwarzen Eric Garner in einem Würgegriff hielt, bis er tot war, wird es keinen Prozess geben, entschied am Mittwoch eine weitere Grand Jury – so wie schon eineinhalb Wochen zuvor im Fall des in Missouri erschossenen Mike Brown.

Es ist unmöglich, dahinter kein System zu sehen. Es herrscht eine Straflosigkeit in Fällen von Polizeigewalt, wie man es sonst nur aus korrupten Staaten der sogenannten Dritten Welt kennt.

Dabei sind Mike Brown und Eric Garner eigentlich nur zufällig zu Namen geworden, die nationale Aufmerksamkeit erregt haben. Allein 2014 gab es in den USA mindestens ein Dutzend der über 400 Todesfälle durch Polizeigewalt, die ähnlich skandalös sind, es aus irgendeinem Grund aber nicht in die nationalen und weltweiten Nachrichten schaffen.

Die Opfer sind fast ausschließlich Schwarze. Zu Recht sagte der ausnahmsweise fast sprachlose Comedian Jon Stewart in seiner Show kurz nach Bekanntwerden der Entscheidung am Mittwoch: „Wir leben definitiv nicht in einer postrassistischen Gesellschaft. Und von draußen wird man bezweifeln, dass wir überhaupt in einer Gesellschaft leben.“

Die im Fall von Eric Garner noch offensichtlichere Ungerechtigkeit macht nicht nur wütend. Sie nimmt jedes Vertrauen in Rechtsstaatlichkeit und Justiz und verstärkt das Ohnmachtsgefühl, das ohnehin zur psychologischen Grundausstattung vieler schwarzer US-Amerikaner gehört.

Und: Wenn Präsident Barack Obama in der vergangenen Woche angekündigt hatte, sich für den flächendeckenden Einsatz von durch die Polizisten zu tragenden Kameras einzusetzen, ist jetzt klar, dass auch das nichts bringt. Von Eric Garners Tod gibt es ein Video. Es hat nichts genutzt.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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8 Kommentare

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  • Geschichts- und Kulturwissenschaften, Soziologie und afro-amerkanische Folklore haben den strukturellen Rassismus der USA zig-fach beschrieben. Das Pantaleo-Garner Video fügt sich nahtlos in dieses Modell ein - es geht darum schwarze Körper zu disziplinieren. Städtische Armenviertel sind de facto Freiluftgefängnisse mit weißen Patroullien. U.a. hat der Soziologe Loic Wacquant dazu empirisch dichte Studien verfasst.

  • Wann hört eigentlich dieser Krampf auf:

     

    "Die USA verkörpern die westlichen Werte."

     

    Bei genauerer Betrachtung, scheint es sich doch wohl eher, um einen mit christlichen Gebetbüchern zugedeckten, großen ethischen Misthaufen zu handeln.

    • @H-G.-S:

      Ach ja. Erzählen Sie mal einem Christen schwarzer Hautfarbe, dass sein Glaube lediglich ein großer Misthaufen ist. Ihr Pseudo-Antirassismus doch lediglich ein Vehikel für ihren Stammtisch.

  • 2G
    2284 (Profil gelöscht)

    Gbts auch in Deutschland. Sicher nicht in so erschreckenden Ausmaßen, aber wehret den Anfängen!

    http://initiativeouryjalloh.wordpress.com/

  • Manch mal bedauer ich es, nicht in America leben zu dürfen. Einmal die Rechte eines weißen Mannes in America geniesen dürfen. Grenzenloße Freiheit.

  • Auch in Deutschland ist dieses System erkennbar, wenn auch nicht in dieser extremen Form.

     

    So werden die wahren Verantwortlichen des "Schwarzen Donnerstags" von Stuttgart 21 und die des Unglücks auf der Loveparade in Duisburg gar nicht erst zur Verantwortung gezogen. Auffällig auch, dass straffällige Polizisten meist nur zu Strafen unter einem Jahr verurteilt werden, damit sie keine dienstdisziplinarischen Folgen befürchten müssen. Bei Dienstaufsichtsbeschwerden passiert in nahezu 100% aller Fälle nichts. Jeder angehende Jurist lernt im ersten Semester, dass diese "formlos, Fristlos, und folgenlos" sind. Und manch einer, der eine Dienstaufsichtsbeschwerde abgeschickt hat, wurde dafür mit einer Anklage wegen Übler Nachrede konfrontiert.

    • @John Doe:

      Was hat diese Instrumentalisierung des Rassismus hier verloren?

  • Schon kurios was für "Zusammenhänge" sich konstruieren lassen?

     

    Im Fall Brown ist die Beweislage ziemlich eindeutig, es spricht weder rechtlich noch polizeitaktisch etwas gegen einen Schusswaffengebrauch. Der einzige Skandal im Fall ist das Schönreden des Verhaltens des B., und vielleicht noch eine gewisse Relitätsferne in den Beurteilungsgrundlagen.

     

    Im Fall Garner ist die Beweislage auch eindeutig, besser kann ein Dienstvergehen kaum dokumentiert sein. Warum hier kein Verfahren eröffnet wird bleibt unerfindlich.