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Die WahrheitSchweres Gerät gegen Schnarcher

Kolumne
von Frank Schäfer

Literaten, die gemeinsam auf Tour gehen, müssen auch gemeinsam leiden. Ein schonungsloser Erfahrungsbericht.

I ch hatte mir etwas ausgedacht, um wider den Stachel des ästhetischen Mainstreams zu löcken. Ich wollte der deutschen Literatur die enorme Impulsdichte und brachiale Energie des Heavy Metal injizieren. Den emotionalen Überschwang, die Vitalität, Rustikalität, den ganzen alten Sturm-und-Drang-Klumpatsch, aber auch das apollinische Kalkül, die ausgestellte Virtuosität, die handwerkliche Akkuratesse.

Mir blieb nicht verborgen, dass bald auch andere in meinem Waldstück jagten und mir die Rolle als Oberförster streitig machen wollten. Die Kollegen Till Burgwächter und Axel „The Klinge“ Klingenberg versuchten sich an einem ähnlichen Literatur-Metal-Crossover. Um gar nicht erst in Konkurrenz zueinander zu treten, gründeten wir das Powertrio Read Em All und gingen von nun an gern gemeinsam auf Tour.

Schon bei unserer ersten Lesereise mussten wir feststellen, dass unser guter Freund Till als Kind seine Nase in einen Zaubertrank getunkt hatte, denn sie war nachts zu Geräuschen fähig, die an einen Zweikampf ausgewachsener Brontosauriermännchen erinnerten oder an irgendwas Außerirdisches, humanoid jedenfalls klang das nicht mehr.

Mittlerweile haben wir daraus gelernt, und unser Standard-Engagement-Vertrag enthält eine Klausel, der zufolge der Vertragspartner nicht nur für die üblichen Luxushotelzimmer und eine volle Schale M & Ms, ohne die braunen, zu sorgen hat, sondern auch für einen Heizungsraum. Eine handelsübliche Feuerschutztür ist gerade dick genug für Till!

Das Schlimmste aber waren die Aussetzer

Damals aber waren Klinge und ich unschuldig wie Kinder, wir konnten ja nicht ahnen, dass Nasen zu so etwas überhaupt fähig waren. Und so fuhr ich hoch mitten in der Nacht wie vom Donner gerührt und rief um Hilfe. Aber Klinge beruhigte mich. „Till! Es ist nur Till.“

Wir riefen mehrfach seinen Namen. Hoffnungslos, er konnte uns nicht hören, so mitten auf dem Schlachtfeld. Nach einer halben Stunde gab Klinge auf und verlegte grummelnd und koddernd sein spärliches Nachtlager auf den kahlen Flur. Eine halbe Stunde später folgte ich ihm. Doch eine normale Wohnungstür war einfach kein Gegner für Till.

Mit schwerstem Gerät malträtierte er weiterhin unsere langsam geplätteten Nerven. Das Schlimmste aber waren die Aussetzer. Man konnte hoffen, jetzt sei alles vorbei, man wünschte es sich so sehr, fiel fast schon in eine Art Erschöpfungsschlummer, aber wie ein alter Boxermotor berappelte Till sich und nach einer knallenden Fehlzündung machte er weiter mit seinem Berserkerwerk. So verging die Nacht. Laut wie ein japanischer Monster- und zäh wie ein französischer Problemfilm. Und wir spielten darin die Hauptrolle.

Aber all das nahm dann ein jähes Ende, als gegen acht Uhr morgens, wir mussten irgendwann besinnungslos geworden sein, das Haus einstürzte. Till hatte all seine Nasenkräfte zu einem finalen Schnaufer gebündelt. Es klang, als wäre etwas sehr Großes einfach geplatzt.

„Jetzt ist er tot“, sagte ich mitleidlos. „Na hoffentlich“, meinte Klinge.

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