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Kommentar Gabriel bei PegidaDeutsche mit Frustrationshintergrund

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Während andere SPDler um Distanz zu Pegida ringen, fährt Vizekanzler Sigmar Gabriel nach Dresden und spricht mit ihnen. Konzept geht anders.

Privatmann Gabriel bei der Angstbewegung Bild: dpa

S igmar Gabriel hat eine gewisse Kunstfertigkeit darin entwickelt, auch Richtiges falsch zu machen. Der SPD-Chef hat in Dresden mit Pegida-Fußvolk diskutiert. Das ist unterstützenswert – denn es hilft, die larmoyante Pegida-Propaganda zu durchkreuzen, dass man „das Volk“ verkörpert, dem mal wieder niemand zuhört. Reden ist in einer zivilen Gesellschaft ein Zeichen von Stärke, nicht von Schwäche.

Ein Kollateralschaden von Gabriels Spontanvisite ist, dass SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi, die zuvor eine scharfe Abgrenzungslinie zu Pegida gezogen hatte, nun wirkt wie ein dummes Huhn. Außenminister Steinmeier warnt, dass Pegida dem deutschen Image schadet, Fahimi ringt um Distanz, Vizekanzler Gabriel fährt – albernerweise als „Privatmann“ – nach Dresden. Konzept geht anders.

Möglicherweise braucht die SPD-Spitze eine Supervision. Klar ist indes, was die antiislamischen Demos in Dresden sind. Laut drei wenn auch eher impressionistischen als repräsentativen Studien ist der Durchschnitts-Pegida-Demonstrant 50 Jahre alt, männlich, gehört zur Mittelschicht und wählt AfD.

Wir haben es mit einer Angstbewegung zu tun, der sich die AfD als parlamentarischer Arm andient. Die wandelt sich nämlich gerade von einer neoliberalen Euro-Kritiker-Partei in eine ausländerfeindliche, rechtspopulistische Sammlungsbewegung. Das ist nicht die schweigende Mehrheit, sondern eine verstockte Minderheit: Deutsche mit Frustrationshintergrund.

Ob diese trübe Bewegung sich etabliert, hängt auch davon ab, wie klug demokratische Politik reagiert. Die Dämonisierung (alles Nazis) nutzt den Rechtspopulisten – es schweißt zusammen, was nicht unbedingt zusammengehört. Bagatellisieren (alles Verführte) verbietet sich sowieso. Nicht Reden oder Distanz, Reden und Distanz ist das brauchbarste Mittel.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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10 Kommentare

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  • Nicht Reden oder Distanz, Reden und Distanz ist das brauchbarste Mittel. sagt Stefan Reinecke…

    … Reden ist Kokolores. Gerade bei Politikern. Auftritte von Storch und Petry in TALK-Shows bringen nur TRUMP-lastige Propagandafloskeln in die Öffentlichkeit. Besser ist ein BÖHMERMANN und der klare Weg zur Entlarvung von Lügen mit Hitler-Parallelen, wie 1000 jähriges Reich und Ausländer-Hass à la PEGIDA, AfD und Front National.

    Am besten ist die Verbots-Anzeige der AfD durch die SPD beim Bundesverfassungsgericht, das den politischen Charakter der Bekämpfung der Grundrechte durch die AfD untersuchen sollte.

  • ff

     

    Meine Beobachtungen nicht nur aus der eigenen Familientradition -

    Solche gelebten/erlittenen Erfahrungen - rechts wie links - vor allem aber der private soziale Niedergang bis zur Verarmung - tradiert sich, losgelöst vom aktuellen Geschehen über bis zu drei Generationen;

    Mit der fatalen - und aktuell zu beobachtenden Folge - daß die jetztzeitige soziale Situation - individuell wie gesellschaftlich -

    (allein/vorrangig) durch diese Brille wahrgenommen wird.

     

    Das Sündenbockdenken als leicht kompatibles Erklärungsmuster ist dann nicht fern;

    Obwohl via Islam Flüchtlinge etc (früher "die Juden") - Nennenswertes nicht in Sicht ist.

     

    http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-14281

    http://www.karl-nolle.de/aktuell/medien/id/11053

    http://www.geschichte.sachsen.de/747.htm

    http://saebi.isgv.de/biografie/Gregor_Strasser_%281892-1934%29

    http://www.infoseiten.slpb.de/geschichte/sachsen/ueberblick/1933-1935/

  • @Gion

     

    Mir ist zwar nicht ganz klar, warum Sie grad mir Ihren Kommentar " auf die Treppe gelegt haben"; aber ok.

     

    SPD -

    ein Vorsitzender - dem zu TTIP&CETA einfällt, die Bürger/Wähler zu verhöhnen - braucht bei mir nicht mehr "auffem Klo Wasser trinken kommen."

    Für einen Außenminister, dem zu Murat Kurnaz als Verantwortlicher nicht einmal ein Bedauern über die Lippen kommt - gilt gleiches.

    (Seminarjungspund zudem).

     

    Sachsen - Bei der Bahnenwahl dachte ich- wieso hat Ol´Conny damals so Schiß vor einer Wiedervereinigung gehabt?

     

    Schlau gemacht - Ja- es gab das rote und! das braune Sachsen - parallel!

    (der Ruhrgebiet/Balin-Satz "Die sind doch hinter der roten Fahne herjeloofen - als noch keen Hakenkreuz druff war - der stimmt für Sachsen so offensichtlich nicht).

     

    KPD/SPD - hatten wohl den tödlichen "Sozialfaschistenmumpitz" pragmatisch so nicht mitgemacht, mit der Folge einer fortdauernden Antinaziströmung.

     

    Einerseits - Tatsache aber auch - die von Ingo Schulze ja wohl nicht ohne Bedacht angeführten Regionen Erzgebirge Niederlausitz (auch Vogtland) mit schweren Einbrüchen im

    industriellen Mittelstand mit Hochburgen der NSDAP als Folge.

     

    ff

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    * Die Regierung kümmert sich um die Sorgen der Bürger, die ihr Grundwasser verseucht wissen (neuestes Beispiel in Thüringen) und regelrecht abgeschmettert werden von den Verantwortlichen?

    * Die Regierung sorgt für eine wirksame Steuerkontrolle bei Großfirmen anstatt eifrige Steuerfahnder ins die Psychatrie zu schicken?

     

    Diese Liste lässt sich leicht verlängern. Wenn "Ihr da oben" außer wohlfeilen Sonntagsreden mal solche Probleme ernstahft anpackt, dann haben die "Nicht Nazis" bei den Pegida Demonstartionen auch keinen Grund mehr zu solchen Demos zu gehen. Und, lieber Siggi, Sie brauchen auch nicht mehr zu Nazis zu angeblichen "Privattreffen" zu marschieren.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Lieber Sigmar

    Wie wär's denn mit sowas:

     

    * Die Regierung nimmt die ablehnede Meinung der Bevölkerung gegen TTIP und Ceta endlich ernst anstatt klammheimlich das Geschäft der Konzerne zu betreiben?

    * Die Regierung kümmert sich z.B. um längst gewonnene juristische Auseinandersetzungen von BürgerInnen gegen Versicherungskonzerne, die trotz aller Gerichtsurteile große Schadenssummen nicht auszahlen und stattdessen versuchen, die Geschädigten mürbe zu machen?

    * Die Regierung nimmt Einfluß auf -wie auch immer- staatseigene Betriebe wie z.B. Telekom und unterbindet deren Schikanen etwa bei Anbieterwechsel oder durch Drückerkolonnen erreichte "Verträge"?

    *

  • Die Strategie der Sozen ist klar: Im braunen Teich nach Stimmen fischen. Geht natürlich nicht offiziell, man will ja nicht den parteiweiten primitiven Populismus der Union nachäffen. Also schickt man den Siggi undercover als "Privatperson" nach Dresden. Mieser geht´s nicht mehr. Selbst die Grünen dürften dieses Nivau nur mit Mühe unterbieten, aber sie werden es schaffen.

  • Mir gefällt der Kommentar ausgesprochen gut. Nur in einem hätte ich eine deutlichere Aussage gewünscht: Die Versuche, herauszufinden, wer denn nun die Bewegung am Laufen hält, sind doch daran gescheitert, dass nur die erwähnte Gruppe bereit war, sich zu äußern. Es reicht mir nicht, dass es hier nur im Halbsatz Erwähnung findet, dass die Ergebnisse nicht repräsentativ sind. Würde irgendjemand die teils hasserfüllten, mich zutiefst entsetzenden Kommentare diversen Foren usw. dazuzählen, dann würde sich ein anderes Bild ergeben. Politik ist gefragt , schon sehr lange. Wenn Pegida einen positiven Effekt haben könnte (wohlgemerkt, ich sympatisiere nicht eine Sekunde!!), dann den, dass Politik sich endlich Gedanken macht, warum so viele Menschen so uninformiert und eindimensional in ihrer Wahrnehmung sind,warum sich so eine Wut anstauen konnte. Dass in unserem Land ein gehörigliches Defizit an soz. Gerechtigkeit herrscht, dass politische Entscheidungen oftmals schlecht umgesetzt und vermittelt werden, ist altbekannt. Wenn politische Entscheidungen neg. Folgen haben, werden sie nur schöngeredet o. weggeschwiegen (Mietrecht, HarzIV ...)Viel mehr Informationen durch die Medien wären gefragt. Statt mich täglich/stündlich mit Pegida vollmüllen lassen zu müssen, wünschte ich mir ebenso viele Wiederholungen über die Ergebnisse zum BIP, wer in unserem Land soziale Strukturen, Arbeitsprozesse, Kultur ... trägt, wie unser Land aussähe, wenn alle Menschen anderer Hautfarbe, anderer familiärer Wurzeln .... weg wären. Solange, bis auch die Unbelehrbaren ...Pegida u.ä.bekommt in unserem Leben einen Platz eingeräumt, der ihnen nicht zusteht. Das ermutigt auch noch den Letzten, z.B. seinen Hass auf der Seite eines Politikers mit einem vermuteten nichtdeutschen Verwandten auszuleeren .

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @ulflo:

      "...wünschte ich mir ebenso viele Wiederholungen über die Ergebnisse zum BIP, wer in unserem Land soziale Strukturen, Arbeitsprozesse, Kultur ... trägt..."

       

      Das will das Sahnehäubchen dieses Landes aber nicht. Deswegen so viel Verständnis für die "berechtigten Sorgen" der "besorgten Bürger". Da wird eine rassistische Erklärung gerne in Kauf genommen, Hauptsache es geht nicht nicht an die Futterverteilung in diesem Lande.

  • " .. .Möglicherweise braucht die SPD-Spitze eine Supervision. .. ."

     

    Na das hätte doch auch bei der Troika -

    Willy Helmut Herbert -

    mit Verlaub - kein Stück geholfen;

     

    Konzept? - die UrenkelInnen haben doch erkennbar

    noch die Pampers an -

    selbst kurze Hosen sind noch nicht in Sicht;

    da hilft kein Gesundbeten;

    GROSSKOTZ - ABWÄHLEN - TERTIUM NON DATUR

    • @Lowandorder:

      mir scheint, der Dresdner INGO SCHULZE hat in seinem Kommentar in der taz v. 24. 1. den richtigen, besonnenen Ton getroffen:

       

      Er schreibt:

       

      "Die Leute sind wirklich hilflos. Man kann natürlich alles Mögliche mutmaßen. Dass der Konservatismus in Dresden schon zu DDR-Zeiten stark war. Dass die Ost-CDU hier gern ihre Parteitage abgehalten hat. Aber mein Gefühl ist, dass dieser Konservatismus auf der Straße keine Sprache für die eigentlichen Probleme hat und sich deshalb an der vorgeblichen Islamisierung emporrankt. Ich war vorige Woche auf der Pegida-Demo, wollte mir das mal anschauen.

       

      Die Leute sind wirklich hilflos. Wenn man glaubt, sie sprechen soziale und ökonomische Fragen an, ist das völlige Fehlanzeige. Eine Antwort auf die Frage, warum Dresden, wäre auch das Hinterland. Mit dem Erzgebirge, mit der Oberlausitz, gibt es ein großes Einzugsgebiet. Man könnte auch sagen: Dresden hat die Probleme, die es formuliert, gar nicht unmittelbar. Es ist nicht besonders arm, es hat wenige Ausländer.

       

      Dennoch glaube ich, dass sich hier soziale Abstiegsängste artikulieren, nur ziemlich schief. Aber ich würde mir nicht so den Kopf zerbrechen, warum es ausgerechnet Dresden ist. Es gibt längst einen richtigen Pegida-Tourismus, auch international. Hier fing alles an, wer Pegida sehen will, fährt nach Dresden.

       

      Besser wäre es, die eigentlichen Probleme anzusprechen, wie es auf der Demonstration am Samstag in Berlin gegen TTIP auch geschah. Da waren 50.000 oder mehr. In den Medien hört man davon kaum etwas. Nichts, was dem angemessen wäre. Das finde ich bestürzend. ■