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Wettbewerbsfilm Berlinale 2015Der Araber ballert gern doppelläufig

Angeblich hat Werner Herzog bei „Queen of the Desert“ Regie geführt. Anzumerken ist das diesem Kolonialschinken nicht.

Diese Wüste ist reine Poesie, man schwitzt nicht, man schwelgt. Bild: 2013 QOTD Film Inverstement Ltd.

Wenn man die Geschichte aus der Perspektive einer Frau erzählt, so geht seit Jahren ein Rezept für Wettbewerbsfilme der Berlinale, kann man den ganzen anderen Sums genauso erzählen wie früher: Kolonialbilder, Eurozentrismus, edle Wilde, Helikopterlandschaftsbilder mit symphonischem Schmus – geht alles, wenn der Abenteurer eine Abenteurerin ist.

Hier also Nicole Kidman als Gertrude Bell, die weibliche Version von Lawrence von Arabien. Obwohl die Kidman den ihr zugedachten Job solide erledigt, ist die beste Szene eine ohne sie. Churchill und diverse andere britische Kolonialpolitiker teilen gerade das Osmanische Reich in Einflusszonen auf und benennen dabei genau die Probleme der Region mit genau den Vereinfachungen, die bis heute die Nachrichtensendungen prägen: Sunniten, Schiiten, Alawiten, Drusen, Kurden – and everyone at each other’s throat.

Von diesen Kämpfen sieht man allerdings nichts, noch erfährt man, warum es sie gibt. Der Araber ballert gern doppelläufig in die Luft – das sehen wir bei diversen Begegnungen mit Stämmen und Soldaten der Wüste. Auch streichelt der Wüstensohn mit viel Liebe seine Zuchtfalken. Doch was treibt ihn um?

Dabei ist es genau das, was circa zwanzigmal über die Bell gesagt wird: Sie habe die Beduinen als Erste verstanden. Würdige Beduinen und sinistre Stammeskrieger sind sich da völlig einig. Aber sie behält ihre Erkenntnisse für sich.

Der Film

läuft im Wettbewerb der Berlinale und noch einmal auf dem Festival am 15.2. um 10 Uhr im Friedrichstadt-Palast.

Die Wüste: reine Poesie

Stattdessen ist die hochgebildete Dame sehr von den exquisiten Zeilen der großen Dichter affiziert, unentwegt rezitiert und übersetzt sie. Der Film folgt ihr. Diese Wüste ist nicht heiß, unwegsam und gefährlich, sondern reine Poesie. Man schwitzt nicht, man schwelgt. Selbst abgelegen residierende Drusenscheichs wissen mit Rimbaud-Stellen zu glänzen.

Für die beiden tragischen Lieben der Bell hat die Direktion übrigens James Franco und Damian Lewis („Homeland“) gewinnen können. Von dem Filmautor Werner Herzog, der angeblich Regie geführt hat, ist in diesem erschreckend konservativen Kolonialschinken aber so gut wie nichts zu erkennen. Leute, die seinetwegen in diesen Film zu gehen planen, kann man nur warnen.

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