Krimi-Koproduktion mit acht Ländern: Dänisches Dynamit
Dem schnarchlangweilgen Titel zum Trotz: Das ZDF legt mit „The Team“ die Messlatte für Krimis höher – und wartet mit kreativer Kraft aus Skandinavien auf.
Eigentlich ist die Zeit gar nicht so toll zum Fernsehgucken, trotzdem hat sich der späte Sonntagabend beim ZDF als Programmplatz für hochwertige Krimis etabliert. So gegen 22 Uhr ermittelten dort schon preisgekrönte Briten wie „Luther“, wurden skandinavische Top-Produktionen wie „Kommissarin Lund“ gezeigt. Die Quoten waren hervorragend.
Jetzt gibt es auf dem Sendeplatz etwas Neues: „The Team“ heißt die Koproduktion, an der auf Initiative und unter Federführung des ZDF Partner aus acht Ländern beteiligt waren.
Der Titel klingt schnarchlangweilig, aber davon sollte man sich nicht abschrecken lassen: Zwar wird hier nicht das Krimi-Genre neu erfunden, aber der Vierteiler mit seinen zweistündigen Episoden ist auf vielen Ebenen raffiniert und spannend. Dank seiner internationalen Aufstellung, einem starken Einfluss dänischer Kreativer sowie der guten finanziellen Ausstattung lässt er hinsichtlich Optik, Charakteren und Komplexität der Geschichte die weit verbreitete deutsche Krimi-Piefigkeit hinter sich.
Auf der Negativseite: Die Erzählung verliert immer mal wieder an Fahrt, es sind durchaus hölzerne Dialoge zu hören, und ab und zu wird der aufmerksame Zuschauer in Logiklöcher stolpern.
Hure. Mutter. Schöne. Opfer. Frauen spielen Rollen. Wir haben mit ihnen das Spiel besprochen. Zehn Stunden Streiten, Plaudern und Sinnsuche zum Frauentag - mit Schauspielerin Maren Kroymann, Feministin Anne Wizorek, Rapperin Sookee und Femenaktivistin Zana Ramadani. Das ganze Gespräch lesen Sie in der taz.am wochenende vom 7./8. März 2015. Außerdem: Wie der Kampf um Windkraftanlagen Ökos gegen Ökos in Stellung bringt. Und: Warum Madonnas neues Album "Rebel Heart" begeistert. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Internationale Ermittler
Die Geschichte: Nachdem es in Berlin, Antwerpen und Kopenhagen nahezu identische Morde an Prostituierten gab, stellt die europäische Polizeibehörde Europol eine Sondereinheit auf, die grenzübergreifend zusammenarbeitet.
Zum Team gehören der Däne Harald Bjørn (Lars Mikkelsen), die Deutsche Jackie Mueller (Jasmin Gerat) und die Belgierin Alicia Verbeek (Veerle Baetens). Hauptverdächtiger ist zunächst ein belgischer Journalist (Carlos Leal), der alle Frauen kurz vor ihrem Tod besucht hat. Schnell stoßen die Ermittler aber auf eine kriminelle Organisation, die von Prostitution bis Menschenhandel fast alles im Portfolio hat.
Etwa 10 Millionen Euro hat die Produktion gekostet, von der Planung bis zur Fertigstellung vergingen fünf Jahre. „So eine lange Zeit ist schon ungewöhnlich, das muss ich nicht jedes Mal haben“, sagt der Produzent Peter Nadermann. „Von Anfang an war klar, dass es schon aufgrund der vielen Drehorte sehr teuer werden würde. Es hat ein bisschen gedauert, das notwendige Geld zusammenzubekommen.“
Es reichte am Ende für die Finanzierung von 130 Drehtagen. Gefilmt wurde nicht nur in Berlin, Antwerpen und Kopenhagen, sondern auch in der Schweiz und den österreichischen Alpen; die Schauwerte sind beachtlich.
Vornehmlich dänischer Geist
Das Drehbuch stammt von den dänischen Autoren Mai Brostrøm und Peter Thorsboe, die unter anderem die Emmy-prämierten Serien „Der Adler – Die Spur des Verbrechens“ und „Protectors – Auf Leben und Tod“ geschrieben haben. Um „The Team“ realitätsnah zu erzählen, recherchierten sie ein halbes Jahr bei Europol in Den Haag, studierten dort die Arbeitsweise der Joint Investigation Teams, die als Vorbild für ihre Serie dienen.
Nicht nur die Autoren, auch die Regisseure Kathrine Windfeld (die kürzlich mit nur 48 Jahren gestorben ist) und Kasper Gaardsøe sowie weitere Kreative stammen aus Dänemark, sodass am Set trotz der international aufgestellten Crew ein vornehmlich dänischer Geist herrschte.
„Ich durfte dadurch eine für mich ganz neue, die dänische Arbeitsweise kennen lernen“, berichtet Jasmin Gerat von den neunmonatigen Dreharbeiten. „Mit den Autoren stand ich während der gesamten Zeit in E-Mail-Kontakt, wir haben uns oft über einzelne Szenen ausgetauscht. Beim Dreh selbst wurde viel diskutiert und immer auf Augenhöhe nach einem Konsens gesucht. Ich hatte den Eindruck, dass die Regie und damit auch wir Schauspieler sehr frei in unseren Entscheidungen waren und nicht alles vom Sender absegnen lassen mussten. Diese Freiheit habe ich sehr genossen.“
Produzent Peter Nadermann, der seit Jahren ein Kenner des dänischen TV-Marktes ist, bestätigt diesen Eindruck: „Dänische Fernsehmacher genießen größere Freiheiten als ihre Kollegen in Deutschland. Die Sender verstehen sich dort als Partner, die sich für eine Produktion entscheiden und die Kreativen dann in Ruhe machen lassen.
Internationales Flair
Das ist in Deutschland vor allem deshalb oft anders, weil der Wettbewerb hier sehr groß ist. Dadurch ist auch die Angst vor Misserfolgen größer. Wenn man sich davon ein bisschen befreien könnte, würde man hierzulande sicher häufiger zu besseren Ergebnissen kommen.“
Gedreht wurde mehrsprachig. Wenn in der Serie also deutsche Ermittler mit deutschen Verdächtigen sprechen, tun sie das auf Deutsch, der Kommissar aus Kopenhagen unterhält sich mit seinen Leuten auf Dänisch, treffen die drei leitenden Mitglieder der Sondereinheit aufeinander, wird die Unterhaltung auf Englisch geführt. Wenn nicht auf Deutsch gesprochen wird, gibt es deutsche Untertitel.
Durch dieses Sprachengemisch entsteht eine ganz besondere Stimmung, die das internationale Flair von „The Team“ verstärkt, der Serie einen speziellen Charme verleiht. Der kleine Haken: Nicht alle Zuschauer kommen in den Genuss der mehrsprachigen Version, denn das ZDF zeigt eine synchronisierte Fassung, in der alle Figuren ausschließlich Deutsch sprechen.
Die belgische Hauptdarstellerin Veerle Baetens zeigte sich davon bei der Pressevorführung in Hamburg nicht gerade begeistert: „In den vielen unterschiedlichen Sprachen zu drehen war originell und interessant, aber das alles jetzt hier nur auf Deutsch zu sehen, ist ein bisschen komisch“, sagte sie vor versammelter Runde und sorgte einen Moment lang für betretene Gesichter bei den ZDF-Verantwortlichen.
Keine deutschen Untertitel
„Die Synchronisation ist gut, ich habe schon Schlimmeres gesehen, trotzdem finde ich es schade, dass nicht die Originalfassung gezeigt wird, denn etwa 60 Prozent der schauspielerischen Leistungen gehen durch eine Synchronisation verloren“, sagt Baetens weiter.
Aber auch der ZDF-Redakteur Wolfgang Feindt hat nicht ganz unrecht, wenn er auf die mangelnde Akzeptanz von Untertiteln beim Publikum verweist: „In vielen europäischen Ländern laufen ausländische Produktionen im Fernsehen als Originalversion mit Untertiteln, aber in Deutschland sind es die Zuschauer gewohnt, immer den Service der Übersetzung zu bekommen. Auf dem Sendeplatz von ’The Team‘ haben wir regelmäßig bis zu vier Millionen Zuschauer. Diese Zahl würden wir bei einer Serie mit Untertiteln niemals erreichen.“
Die Lösung, die sich das ZDF für dieses Problem ausgedacht hat, ist gar nicht so schlecht: Wer die bessere, weil vielsprachige Variante sehen will, findet diese in der Mediathek. Schon vor zwei Wochen haben ZDF, ORF und SRF die Originalfassung dort eingestellt.
Bis auf die letzte Folge allerdings. Um die sehen zu können, mussten die Zuschauer bis zum Stichtag 8. März bei Twitter mindestens 25.000 Tweets mit dem Hashtag #TheTeam verschickt haben. Dieses Ziel haben die Nutzer zwar frühzeitig erreicht, auf solch ein krampfiges Einspannen der Zuschauer fürs virale Marketing darf das ZDF in Zukunft dennoch gern wieder verzichten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Ost-Preise nur für Wessis
Nur zu Besuch