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Vorweg: Eine solche Konferenz, ausgerechnet in Leningrad, ist eine Schande und eine Beleidigung für die russisch-sowjetische Geschichte, die Putin ja angeblich so pflegt (wenngleich nationalistisch umgedeutet). Überraschen kann dies allerdings nur diejenigen, die in letzter Zeit vergessen hatten, dass auch das kapitalistische Russland nicht moral, sondern nur Interessen kennt und Werte nur im finanziellen Sinne vertritt (und damit kein falscher Eindruck aufkommt, ich bin nach wie vor solidarisch mit Noworossija).
Der Vorwurf, der Westen wolle "der Sowjetunion den Trimumph streitig machen", sind aber angesichts der Tatsache, dass die sowjetische Rolle im Krieg in der Regel kleingeredet und verschwiegen wird. Stalingrad kann man nicht umgehen, gelegentlich wird auch schamhaft erwähnt, dass die Rote Armee Auschwitz befreit hat - sonst aber haben zumeist die USA Nazideutschland im Alleingang geschlagen.
Ich bin fast nie Herrn Donaths Meinung, aber hier hat er recht.
Die Kolaboration der europäischen Führung mit den Faschisten und Nazis in der Ukraine damit zu beantworten, dass die russische Führung nun auf Tuchfühlung mit den Nazis in der EU geht, ist der falsche Weg. Er zerstört die Glaubwürdigkeit russischer Politik.
Und er beschmutzt auch das Erbe des antifaschistischen Widerstands wie das des Sieges der Roten Armee gegen die Nationalsozialisten.
Bei der Friedensdemo im Berliner Tiergarten ist BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht die Umjubelte – ganz im Gegensatz zu SPD-Mann Ralf Stegner.
Kommentar Rechtsextreme in Petersburg: Das Erbe des Sieges
Moskau läd ultrarechte Kräfte ein und schmiedet mit ihnen ein Bündnis gegen die europäische Demokratie. Russlands Führung demontiert sich damit.
Die „Heldenstadt“ Sankt Petersburg am Wochenende. Bild: dpa
Russland verteidigt sein historisches Erbe mit Zähnen und Klauen. Der Sieg im Großen Vaterländischen Krieg über Nazideutschland ist spätestens seit der Amtszeit Wladimir Putins der Dreh- und Angelpunkt des staatlichen Selbstverständnisses. Gleichzeitig dient er als identitätsstiftendes Band, das die atomisierte Gesellschaft Russlands zusammenhält. Man ist auch 70 Jahre danach stolz darauf, was die Vorfahren unter hohem Blutzoll vollbracht haben.
An diesem Erbe darf niemand rütteln. Wladimir Putin setzte gar eine Historikerkommission ein, die Abweichungen von der offiziellen Linie der Kriegsdarstellung ahnden und korrigieren soll. Interpretatorische Abweichungen können im Ernstfall strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Dem Westen unterstellt der Kreml unterdessen, der glorreichen Sowjetunion den Triumph streitig machen und die Geschichte ex post facto aufs Neue schreiben zu wollen. Es ist einer der Vorwürfe, die Russland den Europäern und den USA immer wieder macht. Spätestens seit dem Krieg in der Ukraine hat das Methode. Dem Westen wird vorgehalten, was Russland selbst begeht. Es führt Krieg, stürzt Regime, greift geopolitisch aus und dergleichen mehr.
Die Schuldfrage beschäftigt Russland seit Äonen. Sie wird auch immer gleich beantwortet: Verantwortung übernimmt Moskau für sein Handeln grundsätzlich nicht.
Ein Zeichen von Angst und Schwäche
Ist die Einberufung einer Konferenz von europäischen Rechtsextremisten an diesem Wochenende in der „Heldenstadt“ Sankt Petersburg auch ein Hinterhalt des Gegners? Moskau desavouiert sich selbst, wenn es in die Stadt der Hungerblockade ultrarechte Kräfte einlädt und mit ihnen ein Bündnis gegen die europäische Demokratie schmiedet.
Geht es da noch um das antifaschistische Erbe, das der Kreml ständig beschwört, oder dient der Schulterschluss nicht der eigenen Herrschaftssicherung? Wie verstört müssen die Veteranen sein, die die Blockade überlebten? Wie wollen sie zwischen „guten“ und „bösen“ Faschisten unterscheiden? Die Obrigkeit hat sich für Zynismus entschieden. Ein Zeichen von Angst und Schwäche. Deswegen wurde das Event auch in den elektronischen Medien verschwiegen. Russlands Führung demontiert sich und das Erbe des Sieges selbst. Schuld werden wieder die anderen sein. Und am Ende ist Selbstzerstörung das Ergebnis.
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Kommentar von
Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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