piwik no script img

Livestreaming-Apps und LizenzenWenn aus Streamen Rundfunk wird

Mit Meerkat und Periscope kann jeder livestreamen, doch Medienwächter warnen: Wenn die Politik nicht reagiert, bräuchten manche eine TV-Lizenz.

Prominenter Meerkat-Nutzer: TV-Moderator und Blogger Richard Gutjahr Bild: dpa

Eine Uhr, die Katzenvideos abspielen kann? Wahnsinn! Als Apple am Freitag seine Apple Watch in die Läden brachte, konnte jeder live mit dabei sein: Viele Apple-Fans haben ihren Besuch in den Verkaufstempeln des Konzerns ins Netz übertragen – mit Apps wie Meerkat und Periscope, die Livestreaming per Smartphone massentauglich machen. In Berlin übertrug so mindestens ein Nutzer auch die halbe Stunde, die Journalisten vor der eigentlichen Öffnung des Geschäfts hatten, um die neuen Geräte rasch zu betatschen.

Noch viel direkter als YouTube und andere Videoplattformen im Internet bringen die neuen Livestreaming-Apps die ganze Welt zum Publikum. Früher war das noch klar die Domäne des Fernsehens. „Wir stecken jetzt in einem Dilemma“, sagt Jürgen Brautmeier, der Vorsitzende der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM), die private TV- und Radioaktivitäten in Deutschland kontrolliert. „Wenn wir unser gültiges Recht ernst nehmen würden, dann hätten wir in der Tat keine andere Wahl als zu sagen: Streams über diese Apps könnten Rundfunk werden.“

Völlig neu ist dieser Gedanke nicht. Schon als Google seine Videokonferenz-Technik „Hangout“ auf den Markt brachte, die Livestreams etwa auf YouTube ermöglichten, mussten IT-Profis feststellen, wie rückständig das deutsche Medienrecht ist. Damals machte schnell die Zahl 500 die Runde, nach dem Motto: Schauen zeitgleich mehr als fünfhundert Zuschauer zu, dann muss der Veranstalter eine Rundfunklizenz beantragen, aus Internet wird Fernsehen.

DLM-Chef Brautmeier sagt heute, diese Zahl sei für die damals laufende Diskussion „mal eben gegriffen“ worden, sie könne auch höher liegen. Entscheidend sei zudem nicht allein, wie viele Zuschauer einen Stream aus Deutschland habe, sondern nicht zuletzt auch, ob das Angebot linear oder zumindest wiederkehrend sei. Übersetzt heißt das so viel wie: Wer nur ad hoc, mal hier, mal dort, über Meerkat und Co auf Sendung geht und das nicht im großen Stil ankündigt, muss in aller Regel nichts befürchten.

FC Schalke live über Periscope

Die Apps sind ohnehin noch so frisch auf dem Markt, dass augenblicklich erst mal alle noch damit experimentieren. Manches aber lässt erahnen, wohin die Reise mit Blick auf eine Linearität gehen könnte. Der Fußball-Bundesligist FC Schalke 04 hat jüngst etwa auf dem Twitter-Ableger Periscope eine Pressekonferenz übertragen – mit Ansage. Auch Radiosender spielen damit, aus ihren Studios per Livestreaming-App Bilder zu senden.

Medienwächter Brautmeier lässt durchblicken, dass er persönlich gegen aufwändige Lizenzpflichten für Livestreaming-Apps ist. Die Länder müssten sich „endlich zusammenreißen“ und ein neues Medienrecht auf den Weg bringen, das die digitalen Möglichkeiten praktikabel berücksichtige. Er hoffe, dass das bis spätestens Mitte 2017 klappe, also dem Ende der laufenden Legislaturperiode im Bundestag.

Im Idealfall würde es für die besagten Angebote dann nur noch eine „nachgelagerte Missbrauchsaufsicht“ geben, etwa zu Persönlichkeitsrechten und Jugendschutz.

Der DLM-Vorsitzende mahnt allerdings: „Wenn die Reform zu lange dauert, dann könnte es passieren, dass aus Experimenten regelmäßige Angebote werden, die gut angenommen werden – und eben auch, dass dann jemand auf den aktuellen Staatsvertrag pocht.“ Dann, sagt Brautmeier, wäre er da: der Ernstfall, bei dem die Medienwächter prüfen müssten, ob aus Livestreams per Smartphone zumindest im juristischen Sinne ein TV-ähnliches Angebot erwachsen ist.

Drüben im Silicon Valley würden sie sich dann gewiss schlapplachen über diese verrückten Deutschen und ihren irren Regulierungswahn.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "Drüben im Silicon Valley würden sie sich dann gewiss schlapplachen über diese verrückten Deutschen und ihren irren Regulierungswahn."

     

    Eine weitere Gelegenheit den Deutschen Staat im Ausland zu diskreditieren.

    Ich will ja schon Anderes wie StGB 166, 185-189+192, "Tanzverbot", Polizeigewalt etc. Zwecks Ansehensschädigung der BRD in Ausland "breit treten"...