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Öffentlich-private Partnerschaften„Profitinteressen der Großanleger“

Eine Expertenkommission diskutiert über Investitionen in Infrastruktur. „Öffentlich-private Partnerschaften“ bleiben ausgeklammert – zumindest offiziell.

Banken und Versicherungen sollen großes Interesse haben, ihre Gelder in Infrastruktur anzulegen. Bild: dpa

BERLIN taz | In Deutschland wird deutlich zu wenig Geld in öffentliche Infrastruktur investiert – zumindest darüber sind sich die Mitglieder der Expertenkommission einig, die im Auftrag von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) seit vergangenem August zusammensaß, um eine Lösung für genau dieses Problem zu suchen. Weniger Einigkeit gab es bei den möglichen Gegenmaßnahmen. Ein „10-Punkte-Programm“, das DIW-Chef Marcel Fratzscher, Deutsche-Bank-Vorstand Jürgen Fitschen und DGB-Chef Reiner Hoffmann als Kommissionsmitglieder am Montag als zentrales Ergebnis präsentierten, blieb vage.

Neben der Forderung, dass der Staat seine Haushaltsüberschüsse vor allem für Infrastruktur verwendet, findet sich darin der Vorschlag für einen „Bürgerfonds“ und einen „öffentlichen Infrastrukturfonds“, über die sich Anleger an der Finanzierung von Infrastruktur beteiligen können. Doch welches Volumen diese Fonds haben sollen, wie sie genau organisiert werden und wie hoch die Verzinsung sein müsste, um Investoren anzulocken, blieb auf Nachfrage völlig offen.

Keine Einigkeit gab es über die Rolle sogenannter öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP), bei denen der Bau und teilweise auch der Betrieb öffentlicher Infrastruktur komplett von einem privaten Konsortium übernommen wird. „Darüber wurde sehr kontrovers diskutiert“, umschrieb Fitschen den Streit. Der Deutsche-Bank-Chef will weiter daran arbeiten, dass man dieses Instrument „von der Gesellschaft akzeptiert darstellen kann“. Banken und Versicherungen hätten großes Interesse, ihre Gelder in Infrastruktur anzulegen.

Der DGB-Vorsitzende Hoffmann verwies hingegen auf die schlechten Erfahrungen, die bisher mit ÖPP gemacht wurden. So kam der Bundesrechnungshof zu dem Ergebnis, dass solche Konstruktionen am Ende erheblich teurer wurden als eine direkte Finanzierung durch den Staat. In der am Montag präsentierten Zusammenfassung kam das umstrittene Thema darum nicht vor. Im kompletten Bericht, der erst in der nächsten Woche an Gabriel übergeben wird, finden sich nach taz-Informationen aber weiterhin positive Bezüge zu ÖPPs; davon distanzieren sich die Gewerkschaften in einem Sondervotum.

Deutliche Widersprüche

Der Verein „Gemeingut in BürgerInnenhand“, der die Kommissionsarbeit von Anfang an kritisch begleitet hatte, begrüßte die Haltung der Gewerkschaften. „Es freut uns, dass die Widersprüche zwischen den Interessen der Finanzindustrie und denjenigen, die öffentliches Interesse vertreten, deutlich wurden“, sagte Sprecher Carl Waßmuth.

Kritik kam von der Opposition. „Im Kern laufen die Vorschläge weiter auf ÖPP-artige Projekte heraus“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Für die Linke kritisierte Klaus Ernst, die Kommission orientiere sich an den „Profitinteressen der Großanleger“. Gabriel lobte die Arbeit hingegen als „hervorragend“ und will die Vorschläge genau prüfen.

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3 Kommentare

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  • Da gibt es doch jede Menge Juristen, nicht nur im Bundestag, und alle sind gegen Steuerhinterziehung, aber auch gegen Steuerverschwendung; Steuergelder sind sparsam im Interesse des Allgemeinwohls zu verwenden. - Und nun diese Werbung für PPP: Die Zinsen für Staatsanleihen sind bei nahe 0%, es muss jede Menge Geld für die Reparatur der maroden Infrastruktur ausgegeben werden. Aber weil die Zinsen so niedrig sind und die Finanzwirtschaft darunter leidet, muss man dem Finanzsektor kräftig helfen, indem man denen zu angemessenen Zinseinnahmen verhilft, so 3 bis 5 % sind da wohl vorerst angemessen. Da wird die Reparatur der Infrastruktur halt teurer, reale Investitionen kosten nun mal.Wäre das für Juristen nicht eine Gelegenheit, um diese Regierung wegen Verschwendung von Steuergeldern und/oder Inkompetenz zu verklagen? - Man könnte auch vorschlagen, dass die EZB oder Bu-Babnk einer staatlichen Spezialbank Geld zur Verfügung stellt, damit der Staat die Investitionen damit finanziert; wenn solche Staatsanleihen nicht an Privatsektor oder Ausland verkauft werden, sondern im Depot der EZB bzw. der BuBank bleiben, dann werden solche virtuellen Schulden realiter zu Staatsvermögen, Infrastruktur im weitesten Sinne.

  • Bislang hat nicht ein einziges PPP-Projekt das gehalten, was ursprünglich versprochen wurde. Das lag und liegt nicht an Details wie Planung, Finanzierung etc., sondern es liegt in der Natur der Sache begründet.

     

    Es ist im Grunde so, als würde man bei sich zuhause jemanden mit einem Tellerchen für Kleingeld vor die eigene Toilette postieren, bei dem man dann für die Nutzung der eigenen Toilette zahlen muss und der einem aber dann für die Reinigung der Toilette noch eine Extrarechnung ausstellt.

    Oder jemand, der vor dem eigenen Kühlschrank steht und für die Herausgabe der Lebensmittel, die man zuvor selber eingekauft hat, nochmal eine Extragebühr verlangt.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)