Freiheit durch Information: Bremen wird durchsichtiger
In der Bremischen Bürgerschaft steht am Mittwoch die Novellierung des Informationsfreiheitsgesetzes an. Die Verbesserungen sind konsensfähig.
BREMEN taz | Bremen wird noch transparenter. Die Abgeordneten der Bürgerschaft wollen am Mittwoch das Informationsfreiheitsgesetz (BremIFG) deutlich ausweiten. Angeschoben wurde das von den Grünen mit der SPD. Und, das ist in Wahlkampfzeiten durchaus bemerkenswert: auch CDU und Linksfraktion wollen zustimmen. Bremen wird, mit Hamburg, weiter gehen als die anderen Länder (siehe Infokasten).
Schon bisher ließ sich Einsicht nehmen: in ein 368-seitiges PDF-Dokument zu Baumfällarbeiten etwa, samt „Standort“ und „Grund der Fällung“, in eine Liste öffentlicher Überwachungskameras oder in Bremens Haushalt als umfängliche Excel-Tabelle mit 9.064 Zeilen, wo unter Haushaltsstelle 3270.68614-0 zum Beispiel der „Zuschuss an die Stiftung Neues Museum Weserburg“ mit jährlichen 877.170 Euro angegeben ist.
All diese Dokumente können schon heute über das öffentliche Informationsregister heruntergeladen werden. Erst Mitte März 2015 wurde es überarbeitet, um die Benutzerfreundlichkeit zu erhöhen. Schon heute aber muss man die Daten zu interpretieren wissen, muss wissen, ob es etwa für die Weserburg an anderer Stelle noch weitere Zuschüsse gibt, bevor man mit den Zahlen Politik macht, und man muss eine Ahnung davon haben, wonach man sucht. Dann aber können die Daten helfen.
Bislang allerdings sah das Gesetz vor, dass die Verwaltung ihre Dokumente dort veröffentlichen „soll“, was die Beamten oft mit „muss nicht“ übersetzten. Darauf wurde nun reagiert: Künftig „haben“ die Behörden alle Informationen zu veröffentlichen und zwar „unverzüglich“.
Seit 2012 haben BremerInnen ein Recht auf behördliche Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Bestimmte Einschränkungen aber sollen künftig entfallen:
Verträge mit Firmen sollen ab einem Vertragswert von 50.000 Euro veröffentlicht werden. Bisher konnten Betriebe das ablehnen.
Gutachten müssen veröffentlicht, Vergütungen ab 5.000 Euro offengelegt werden.
Behördliche Dokumente müssen "unverzüglich" veröffentlicht werden - auch etwa "Handlungsempfehlungen, Stellenpläne, Berichte, Studien".
Auf die Veröffentlichung im Informationsregister haben BürgerInnen einen "subjektiven Anspruch".
Bei abgelehnten Anträgen soll die Behörde künftig kenntlich machen, was warum nicht veröffentlicht wurde.
Anders als in Hamburg werden Rohdatensätze weiterhin nur auf Antrag ausgegeben.
Niedersachsen hingegen hat noch gar kein Informationsfreiheitsgesetz.
Für Tim Weber vom Verein „Mehr Demokratie“ ist diese Regelung entscheidend: „Es führt zu einer deutlichen Aufwertung des Gesetzes.“ Sein Verein ist zufrieden mit den Verbesserungen, auf die er mit „Humanistischer Union“ und „Transparency International“ seit Jahren hinwirkte. „Bei Verträgen hätten wir uns gewünscht, dass sie schon ab 10.000 Euro veröffentlicht werden müssen“, sagt Weber. Sehr hilfreich aber sei, dass auch Gutachten nun zugänglich gemacht werden müssen. „Gegenüber Bürgerinitiativen argumentieren Behörden oft damit, halten die Gutachten selbst dann aber unter Verschluss.“
Ein bisschen Kritik aber hat er schon: Bremen wird anders als Hamburg seine Rohdatensätze nur auf Antrag herausgeben, weil es sonst zu teuer würde. Und: dass die Hochschulen ausgenommen seien, kritisiert Weber auch: Die Veröffentlichung von Spendern und Sponsoren bleibt freiwillig – nur die Hochschule Bremen legte Sponsoren bisher großzügig offen. Gegenüber der taz kündigte die Uni Bremen an, die Praxis zu überdenken.
Mustafa Öztürk, netzpolitischer Sprecher der Grünen, ist dagegen vollends zufrieden. „Mit dieser Reform hat das Amtsgeheimnis ausgedient“, sagt er. Eine umfassende Auskunft gegenüber den BürgerInnen sei „ein selbstverständlicher Service und kein Gnadenakt“. Gegen die Novellierung habe es durchaus einigen Widerstand aus der Verwaltung gegeben.
Herbert Kubicek vom Institut für Informationsmanagement an der Uni Bremen schätzt, dass für die Behörden das Gesetz „kein Hit“ sei: „Dort sieht man vor allem mehr Arbeit auf sich zukommen“, so Kubicek. Bislang habe in der Verwaltung eine „organisatorische Orientierungslosigkeit“ darüber geherrscht, wer für eine „pro-aktive“ Veröffentlichung zuständig sei. Kubicek hofft, dass sich das nun ändert. Seine größte Kritik: „Die Fraktionen haben versäumt, die Umweltinformationen in das Informationsregister zu integrieren, so wie in Hamburg oder Schleswig-Holstein.“ Es gebe viele NGOs, die mit diesen Daten arbeiteten. Insgesamt müsse bei der Transparenz „ein politischer Prozess“ in Gang gesetzt werden.
Einen Fall aber wird das alles nicht betreffen: Als die Humanistische Union auf Herausgabe des behördeninternen Katalogs klagte, mit denen „Scheinehen“ ermittelt werden sollen, lehnte das Gericht dies mit Verweis auf Paragraf 4 des BremIFG ab, der „behördliche Entscheidungsprozesses“ schützt. Die HU beantragte Berufung, Paragraf 4 aber wird nicht geändert.
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