Weibliche Ejakulation: Die Prostata ist für alle da
Nicht nur Männer sind in Besitz dieses Organs, sondern auch Frauen. Lange wurde das gar nicht weiter diskutiert, dabei hat sie einige Funktionen.
BERLIN taz | Die weibliche Ejakulation ist kein Mythos, kein Special Effect der Pornoindustrie. Sie ist real. Tatsächlich habe der Porno den Bildungauftrag übernommen, so die Sexologin und Linguistin Laura Méritt auf dem taz-Kongress zum Thema „Gedöns“ am Samstag in Berlin.
Auf YouPorn und ähnlichen Websites gibt es eine eigene Fetischkategorie zum sogenannten Squirting, womit die Webseiten fortschrittlicher seien als jedes Biologie-Schulbuch. „Alles, was wir weitestgehend unter Aufklärung verstehen, folgt der Fortpflanzungsidee oder der Fortpflanzungsverhinderung“, führt Méritt aus.
Dies habe fatale Folgen: Die Gebärmutter und der Vulvakanal würden in typischen Querschnittdarstellungen im Biobuch zwar noch vorkommen, doch Schwellkörper seien keine zu sehen. In den letzten zweihundert Jahren sei die Klitoris immer kleiner geworden, während der Schwanz immer größer wurde. „Das hat ganz klar mit der Fortpflanzungspolitik zu tun!“
Rund 80 Menschen drängen sich am Nachmittag in und um das Zelt 2 des taz.labs, um Méritts Nachhilfestunde zur weiblichen Anatomie zu lauschen. Für ihren Vortrag greift sie zum Teil auf Bilder zurück, die in den 70ern von der Frauenbewegung angefertigt wurden, teilweise aber auch auf moderne 3D-Ansichten.
Auf einem Bild ist zu sehen, wie sich der weibliche Sexualkomplex unter Erregung verändert: Die Klitoris ist erigiert, die Prostata, auch Harnröhrenschwellgewebe genannt, angeschwollen. Wie ein aufgeplusterter Vogel sieht das Gewebe aus, deshalb habe es nach Méritt auch durchaus seine Berechtigung vom „vögeln“ zu sprechen.
„Wir wollen keine Schambegriffe!“
Das Ejakulat tritt durch Stimulation der Prostata aus. Und zwar aus dem Harnröhrenloch sowie aus zwei kleinen Löchern, den paraurethralen Löchern. All dies sei in der Allgemeinmedizin noch nicht angekommen. Immerhin habe die US-amerikanische Behörde, die sich mit Anatomie auseinandersetzt, die weibliche Prostata anerkannt, fährt Méritt in ihrer Nachhilfestunde fort.
Der Kampf des Freudenfluss Networks, zu dem auch die Mitreferentin Polly Fannlaf gehört, ist nicht nur ein körperlicher, es ist auch ein sprachlicher. „Wir wollen keine Schambegriffe!“, sagt Méritt. So würde mittels des „Jungfernhäutchens“ zwischen Hure und Heiliger unterschieden. Und die Vagina ist lateinisch für Scheide, also nichts weiter als eine Hülle für das Schwert.
Selbst kolonistische Züge gebe es in der Terminologie. Das G in G-Punkt steht nämlich nicht für Gedöns, sondern für Gräfenberg, dessen Entdecker. Ähnlich sieht es bei der Bartholinschen Drüse aus. „Viva la vulva!“, lautet stattdessen das Motto von Méritt und Fannlaf. Gerne reden sie auch vom „Powerkomplex“.
Manu Schubert, Redakteur im taz.lab-Team, muss gar nicht moderierend eingreifen. Das Publikum hängt den Vortragenden ohnehin an den Lippen. Auf die Frage, wie frau den Beckenboden trainieren könne, antwortet Méritt, dass Gewichtetraining nicht das ist, was die Möse will. Das gebe „Mösenmuskelkatze“. Großes Gelächter. Eine lehrreiche Stunde geht zu Ende. „Untersucht euch einfach mal ein bisschen mehr“, gibt die Referentin dem Publikum noch mit auf den Weg. So, und jetzt gehen wir das neue taz-Bier probieren. Prostata… äh… Prost!
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