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Ex-Straßenkicker von Bayer LeverkusenPfostenschüsse im Gewitter

Mittelfeldspieler Hakan Çalhanoglu, der Samstag mit Bayer Leverkusen auf Bayern München trifft, ist ein Fußballer von gestern. Deshalb ist er auch so gut.

Freund des gezirkelten Balles: Hakan Çalhanoglu Bild: dpa

LEVERKUSEN taz | Neulich gab es wieder grelle Schlagzeilen über Hakan Çalhanoglu, dessen Berater Bektas Demirtas ein geschickter Zulieferer der Fußballgerüchteküche ist. „Barcelona hat sich gemeldet und bei mir sein Interesse hinterlegt“, hat der Berater des türkischen Nationalspielers im Kölner Express erwähnt. Seither besteht eine enge Verbindung zwischen dem Namen Hakan Çalhanoglu und dem Wort „Barcelona“.

Google findet bei entsprechender Suche 220.000 Treffer. Ersetzt man die spanische Stadt durch „Bayer Leverkusen“, tauchen 368.000 Treffer auf. So klein ist im Internet die Differenz zwischen Gedöns und einem Jahr erfolgreichem Fußball am Rhein.

Schaden kann die Verbindung zum spanischen Edelklub natürlich nicht, Çalhanoglu jedoch lächelt nur müde, wenn man ihm auf den katalanischen Edelklub anspricht. „Um diese Dinge kümmert sich mein Manager, er erzählt mir nie, was so geredet wird“, behauptet der 21-Jährige, der Samstagabend auf jeden Fall noch für Bayer Leverkusen gegen Bayern München spielt. Und in der kommenden Saison werde der türkische Nationalspieler ebenfalls das Trikot der Werkself tragen, sagen die Verantwortlichen in Leverkusen.

Çalhanoglu hat einen Vertrag ohne Ausstiegsklausel bis 2019 und er will auch gar nicht wechseln, denn bei Bayer Leverkusen hoffen sie auf ein Jahr des Aufblühens. „Wir haben in dieser Saison eine hervorragende Grundlage für die Zukunft geschaffen“, sagt Çalhanoglu, „in allen Wettbewerben waren wir konkurrenzfähig, vielleicht fehlt uns noch ein bisschen Erfahrung, aber wir sind alle heiß und gierig.“

Der in Mannheim geborene Türke will dann endgültig die zentrale Rolle im Leverkusener Mittelfeld übernehmen. Er ist einer dieser Straßenkicker, die immer seltener werden in einer Zeit, in der talentierte Achtjährige schon Tagesabläufe wie Profis haben.

„Wenn man draußen auf der Straße kickt, entwickelt man eine Intuition und den Mut, das Unerwartete zu tun, man ist locker“, sagt er. Wobei die Nachmittage auf dem Bolzplatz in Mannheim-Wohlergehen, einem sozialen Brennpunkt, für den kleinen Hakan keineswegs so locker gewesen sind.

Fußball bei jedem Wetter

Oft war Vater Huseyin dabei und trieb seinen Sohn an. „Mein Vater war wirklich verrückt. Er stand immer im Tor und wollte, dass wir die Pfosten und die Latte treffen. Egal, ob es geregnet hat, geschneit oder ob ein Gewitter tobte. Ihm war das völlig egal, Hauptsache, ich spiele Fußball.“

Nun profitiert Çalhanoglu von dieser Schule, in der er auch seine große Spezialität entwickelte: den Tritt gegen den ruhenden Ball. Seine Standards haben ihn berühmt gemacht, und es gibt Leute, die sagen, dass er auch eine Karriere in der deutschen Nationalmannschaft hätte machen können. Aber er spielt für die Türkei, was auf eine eher zufällige Wendung zurück geht.

2010 hatte er eine Einladung, in der deutschen U16-Auswahl zu spielen, „aber mein Schuldirektor wollte mich nicht zur Mannschaft gehen lassen, weil Prüfungen anstanden. Hätte ich an dem Tag für Deutschland spielen können, wäre ich vielleicht immer bei den Teams des DFB geblieben.“

Die türkische „Pistolen-Affäre“

Natürlich würde er niemals zugeben, dass er diese Entscheidung bereut, aber so ganz sicher kann man da nicht sein, denn der Fußball am Bosporus liegt am Boden. „Im türkischen Fußball steckt sehr viel Politik, da hat man als Spieler grundsätzlich wenig Einfluss.“

Diese Leidenschaft spielte wohl auch bei der sogenannten „Pistolen-Affäre“ eine Rolle, in die Çalhanoglu verwickelt war. Im Oktober 2013 nach dem WM-Qualifikationsspiel der Türkei gegen Holland stürmte der ebenfalls in Deutschland aufgewachsene Fußballer Gökhan Töre mit einer Waffe ins Zimmer von Çalhanoglu und Ömer Toprak und bedrohte die Kollegen.

Der Angriff galt einem Freund Topraks, der sich auch im Zimmer befand – eine Eifersuchtsgeschichte. Spätestens seit Çalhanoglu diese Geschichte in einem etwas missglückten Auftritt im ZDF-Sportstudio erzählte, hat er den Ruf eines zwar hoch veranlagten, aber jenseits des Platzes mitunter etwas ungeschickten Talents.

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