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Debütalbum von Pop-Projekt ErfolgEin Mann, ein Wort

Gute Aussichten für Erfolg. Der Musiker Johannes von Weizsäcker legt das Debütalbum seines Berliner Kunst-Pop-Projekts Erfolg vor.

Zu Johannes von Weizsäckers Projekt gehört auch ein Damenchor. Bild: Max Zerrahn

„Jetzt habt ihr alle Erfolg“, verkündet Johannes von Weizsäcker seinem durchmischten Berliner Publikum. Manche sind alt, manche jung, manche sehen aus wie der Brillenmann, der Protagonist des gleichnamigen Songs von seinem neuen Album, das an diesem Abend vorgestellt und gefeiert wird: das Debüt des Berliner Künstlers unter dem Alias Erfolg.

Alles begann mit der simplen Idee, doch mal Popmusik auf Deutsch zu machen, weil Johannes von Weizsäcker, Sänger der Berlin-Londoner Experimentalpopband The Chap, das noch nie gemacht hat. Genauso, wie Musik allein zu basteln. Der Name „Erfolg“, der ein Konzeptalbum suggeriert, ist allerdings mehr ein spontaner Einfall. Der Namenszug in Times New Roman, der so seriös wie verwechselbar daherkommenden Standardschrift, würde sich bestimmt super machen in Schriftgröße 96 auf Plakaten und Plattencovern.

Man muss ihm recht geben: Das tut er. Zuerst war da also dieser Name, dann folgte das Konzept, das intelligent und ironisch auf dem Album „Erfolg“ verhandelt wird. Erfolg bedeutet, dass eine Anstrengung zu einem gewünschten Ergebnis führt. Das heißt auch, dass auf der Suche nach Erfolg zuerst zwei konkrete Dinge da sein müssen: ein Wunsch und ein Ziel.

Austauschbare Unzufriedenheit

Das Album und die Tour

Erfolg: „Erfolg“ (Staatsakt/Caroline)

Live: 6. Mai „Muz“ Nürnberg, 7. Mai „Kellerperle“ Würzburg, 8. Mai „Arm Hoffest“ Kassel, 9. Mai „Nachtasyl“ Hamburg.

Wünsche und Ziele scheinen es jedoch zu sein, die den meisten Menschen auf ihrem Weg zum Erfolg fehlen. Dies jedenfalls suggeriert die Titellandschaft der Ratgeberindustrie: Man setze austauschbare Unzufriedenheit ein, ergänze „und wie wir das ändern können“, und heraus kommt ein neues Howto.

Von Weizsäcker findet es seltsam, dass man alles, was man angeht, mit der Möglichkeit des Scheiterns betrachtet, und man sich zugleich ständig als erfolgreich zeigen muss – ob man es nun ist oder nicht. Tatsächlich lassen sich die Stücke auf seinem Konzeptalbum, das als solches gar nicht geplant war, hervorragend mit der großstädtischen Suche nach Erfolg und Lebenssinn assoziieren – doch nicht mehr oder weniger als jeder beliebige andere Popsong, meint von Weizsäcker: „Erfolg ist alles und nichts, jedes Liebeslied ist am Ende über Erfolg.“

Als Sozialstudie deutet man nun das Erfolgsprojekt von Weizsäckers, der in Berlin ganz genau hingeguckt habe. Als Kommentar zur Leistungsgesellschaft, in der für Scheitern nur dann Platz ist, wenn man beweist, wie gut man nach dem Hinfallen wieder aufstehen kann. Als Pop-Miniaturen dazu seine Kompositionen, die sich aus dem Fundus der Popmusik bedienen, aber skizzenhaft bleiben.

Ein großartiger Musiker

Ganz unrecht haben diese Lesarten von Erfolg nicht, dennoch fassen sie etwas zu kurz. Außer Acht gelassen wird, dass von Weizsäcker nicht nur ein guter Beobachter ist, sondern auch ein großartiger Musiker. Ein Großteil des Sounds kommt aus seinem fast symbolisch als Mitmusiker auf die Bühne gesetzten Laptop, doch er hat eine Gitarre dabei und zögert nicht, diese einzusetzen.

Die Instrumentierung hält er eher simpel, denn für ihn stehen die Texte im Mittelpunkt. Von Weizsäcker, der bisher ausschließlich Erfahrung im Band-Kontext mit The Chap gesammelt hat, will eines vermeiden: Der fehlende kreative Austausch mit einem Gegenüber soll nicht darin münden, sich in der Frickeligkeit verkopfter Soloprojekte zu zerfasern.

Zudem tritt da dieser Damenchor in Erscheinung, ein Dutzend Frauen und ein Herr, die zusammen mindestens so wichtig für das Konzept des Albums sind wie der Mann namens Erfolg. Die simplen, zur Skizze herunterinterpretierten Arrangements funktionieren drumherum so gut, dass das beatverwöhnte Berliner Publikum auf der Album-Release-Party tanzt, statt nur über die Zweischneidigkeit der Texte zu schmunzeln.

Johannes von Weizsäcker könnte auf seinem Solodebüt wahrscheinlich alles machen. Er entscheidet sich aber für das, was ihm am meisten liegt: Dinge, die ihn faszinieren, auf einer für ihn neuen Sprache zu besingen und diese Aussagen in ebenso effektive musikalische Gerüste zu stecken. Vielleicht ist das Grandiose an der Musik von Erfolg gar nicht die große Treffgenauigkeit der Sozialstudien, sondern wie leicht sie erstaunlich gute Ergebnisse erzielt.

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