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Applaus für die Dienstälteste

Sie verkörpert das Ruhrgebiet wie keine andere: Tana Schanzara. Seit 50 Jahren ist sie im Ensemble des Bochumer Schauspielhauses undwird vom Publikum erbarmungslos geliebt und gefeiert. Besonders heute. Tana Schanzara wird 80 Jahre alt – auch wenn sie das nicht gerne hört

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Sie kann machen, was sie will. Muss nichts Besonderes sein. Geklatscht wird immer. Egal, welche Bühne Tana Schanzara auch betritt, die Leute jubeln, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Einzige Voraussetzung: Die Bühne sollte im Ruhrgebiet stehen. Hier lebt Tana Schanzara seit ihrer Kindheit, seit 50 Jahren ist sie im Ensemble des Bochumer Schauspielhauses. Das Revier hat voll und ganz auf sie abgefärbt. Und umgekehrt. Auch wenn Tana Schanzara eigentlich ein Nordlicht ist. In Kiel kam sie zur Welt, trug noch den lustigen Namen Konstanze Schwanzara. Das war vor genau 80 Jahren.

Aber über das Alter spricht die „Ruhrpott-Duse“ nicht gern. Und fragt doch jemand danach, sagt sie nur: „Ich bin 51“ – mittlerweile seit 29 Jahren. Wie dem auch sei: Wenn die Schanzara einen runden Geburtstag feiert, noch dazu ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum, gleicht das Bochumer Theater mehr denn je einem Palast und Tana einer Königin. Seit einer Woche pilgert das Volk demütig an die Königsallee, um seiner Monarchin zu huldigen. Erst wurde ein neuer Film mit ihr vorgeführt, am Samstag war dann Premiere mit Tana (siehe Kritik), und heute gipfelt die Feierorgie in einer großen Gala.

Aber gut: Diese Frau ist mit dem Ruhrgebiet verbunden wie keine andere. Mit ihren Eltern, einem Opernsänger-Paar, zog sie von Kiel nach Dortmund, wo sie allmählich vom Theater zu träumen begann. Nach ihrem Abitur ließ sie sich bei Friedel Münzer in Köln zur Schauspielerin ausbilden, erhielt kurze Zeit später ihr erstes Engagement an den Bonner Kammerspielen. Nach ein paar Stippvisiten, etwa im Theater Oldenburg, kam sie Mitte der Fünfzigerjahre zurück in den Pott, als Gast an der Bochumer Bühne – und blieb.

Heute ist sie die Dienstälteste am Schauspielhaus, dutzende Kollegen hat sie erlebt. Wenn es heute noch so etwas wie Volksschauspieler gibt, dann gehört Tana Schanzara ganz gewiss dazu. Dem Bochumer Publikum ist sie weniger durch große, schwer verdauliche Dramen ans Herz gewachsen, sondern durch ihre Solo-Programme, ihre in breitem Ruhrgebietsdeutsch gegrätschten Lieder. „Solo für Tana“ hieß so ein Abend in den Achtzigern. Oder „Tana in Moskau“. Und noch viel früher machte ein kleines Liedchen die Runde, für das Tana Schanzara ebenfalls Ruhm abschöpfte: „Vatter, aufstehn!“, der Song gewordene Imperativ.

Wenn es irgendwo skurrile Ruhrgebiets-Gestalten zu spielen gab, Schanzara wurde engagiert. So tauchte die kleine Frau mit dem kratzigen Tonfall auch in zahlreichen Filmen auf, zum Beispiel unter der Regie Hape Kerkelings, mit dem sie oft gearbeitet hat. Aber auch ans Wiener Burgtheater führte es sie. In Peter Turrinis „Tod und Teufel“ spielte sie eine alte, versoffene Frau, eine Rolle, die niemand außer ihr spielen wollte. Sie ist sich eben für nichts zu schade.

Feierabend? Endlich in Rente? Lange nicht. Bloß keine Pause einlegen. Das würde Verfall für sie bedeuten. Bald wird Tana Schanzara deshalb sogar in Zürich spielen, auch auf ein neues Solo-Programm hätte sie Lust, am liebsten von Kerkeling geschrieben. Aber im Grunde ist das auch egal. Hauptsache sie ist da. Geklatscht wird immer. Da kann sie machen, was sie will.

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