: Tod im Obdachlosenheim
ZWANGSRÄUMUNG Politiker und Mietaktivisten reagieren entsetzt auf den Tod von Rosemarie F.
Rund 200 Polizisten sperren mit Gittern die ehemalige Wohnung von Rosemarie F. in der Aroser Straße in Reinickendorf weiträumig ab. Als die Demonstration zum Gedenken an den Tod der zwei Tage zuvor zwangsgeräumten Frau am Freitagabend um 18 Uhr beginnt, sind mehr als 100 Demonstranten vor Ort. Ständig kommen neue hinzu. Viele tragen Trauerkleidung, doch die Stimmung ist angespannt. Es kommt zu Wortgefechten mit der Polizei – einige Demonstranten machen den Polizisten Vorwürfe, weil die Polizei schon die Zwangsräumung durchgesetzt hatte. „Schämt euch“, steht auf Plakaten, „Kapitalismus ist tödlich“. Die Polizei sperrt die Straße ab, damit der Verkehr nicht in die Demonstration fließt. Bei Redaktionsschluss dauerte die Demonstration noch an.
Der Tod der 67-jährigen Rosemarie F. löste am Freitag Erschütterung aus. Die Rentnerin starb am Donnerstag in einer Obdachlosenunterkunft. Die Todesursache war am Freitag noch unklar. Laut Unterstützerkreisen soll ein ärztliches Attest bereits vor der Räumung vor deren Gefahren für die gesundheitlich angeschlagene Frau gewarnt haben.
Der Fall schockiere sie, sagt Katrin Schmidberger, Sprecherin für Mieten und Soziales der Grünen-Fraktion. Auch die Opposition stehe in der Verantwortung, „so etwas zu verhindern. Dass uns das nicht gelungen ist, tut mir unendlich leid“, so Schmidberger. Gerade kranke, alte und bedürftige Menschen dürften nicht geräumt werden: „Jedenfalls nicht, ohne dass sofort eine neue Wohnung zur Verfügung gestellt werden muss.“
Alexander Spies, sozialpolitischer Sprecher der Piratenfraktion, sagtze, er habe den Tod von Rosemarie F. „mit Bestürzung zur Kenntnis genommen“. Er gehe davon aus, „dass allen Beteiligten an einer umgehenden, lückenlosen Aufklärung der Todesursache gelegen ist“. Nicht nur die Opposition reagiert mit Entsetzen: „Für 150 Polizisten für eine Zwangsräumung hat unser Sozialstaat genug Geld – aber für die Unterbringung einer behinderten Rentnerin stellt das Reinickendorfer Bezirksamt keine Wohnung zur Verfügung?“, so Ülker Radziwill, sozialpolitische Sprecherin und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion. „Der Tod der Frau F. muss zum Nachdenken und zur Korrektur der Hilfestruktur für von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen zwingen“, so Radziwill. „Ich fordere vom Sozialsenator, endlich das seit Jahren ausbleibende Konzept der Wohnungslosenhilfe zu liefern.“ A. WIERTH, C. OTT
Der Tag SEITE 2
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen