: Prinzip Schleifchen
Gute Vorsätze: die taz-nord-Serie zum neuen Jahr (1). Heute: Schleswig-Holstein oder wie Peter Harry Carstensen an einer „positiven Bilanz der Regierungsarbeit für das Jahr 2006“ nicht vorbeikommt
von Esther Geißlinger
Viele gute Vorsätze haben die schwarz-rote Landesregierung und die Fraktionen von CDU und SPD kurz vor der Weihnachtspause. Muss ja auch, meint die Opposition aus Grünen, FDP und SSW, denn was die Großkoalitionäre bislang leisteten, sei „ein bisschen dünn, viel Lärm um nichts“ (Wolfgang Kubicki, FDP), die Koalition präsentiere sich „zerstritten, labil, mutlos“ (Klaus Müller, Grüne), die bisherigen Vorschläge „tun nicht richtig weh, bringen das Land aber auch nicht voran“ (Anke Spoorendonk, SSW).
Nun soll es aber mächtig losgehen – vorsorglich zogen die Fraktionsvorsitzenden Johann Wadephul (CDU) und Lothar Hay (SPD) schon eine „positive Bilanz der Regierungsarbeit für das Jahr 2006“. Die beiden hatten sich durch den Koalitionsvertrag der Berliner Regierungsparteien gearbeitet und fanden dort viele „Chancen für Schleswig-Holstein“. Die Arbeitslosigkeit im Land solle gesenkt werden, indem „gezielte Anreize für Arbeitslose geschaffen“ werden. Der Studierendenanteil soll von 36 auf 40 Prozent eines Jahrgangs steigen. Und die Landesregierung solle zügig Projekte benennen, die nach dem Bundesverkehrswegeplan umgesetzt werden sollen – da geht es um den möglichen Ausbau der Flughäfen.
Im Januar wollen sich die Vorstände der Regierungsfraktionen zusammensetzen und ausführlich miteinander reden – ein wirklich guter Vorsatz. Besonders „wichtige und dringliche Themen“ werden zur Chefsache gemacht. Auf dem Zettel der Regierung stehen sechs Punkte obenan, verrät Regierungssprecher Christian Hauck. Erstens der Ausbau der „Norddeutschen Kooperation“ – was nicht bedeuten soll, dass Schleswig-Holstein binnen Jahresfrist ein neuer Stadtteil von Hamburg wird, beteuert Hauck. Aber schon in den vergangenen Monaten verging kaum ein Tag, an dem nicht eine neue Zusammenarbeit verkündet, ein weiterer Vertrag unterschrieben oder eine Kooperation beschlossen wurde – der Nordstaat wächst heimlich, aber gewaltig.
Zweites Thema auf der Agenda ist der marode Haushalt. Ziel ist, die Nettoneuverschuldung bis zum Ende der Legislaturperiode zu halbieren. „Das müssen wir dringend anpacken“, sagt Hauck – und zwar „im lebhaften Diskurs mit allen Betroffenen“.
Dritter Vorsatz: „Kultur und Wirtschaft sollen stärker verzahnt werden.“ Heißt: Schleswig-Holstein soll seine touristischen Höhepunkte besser vermarkten und dadurch „mehr Leute ins Land ziehen“. Darüber wird die Tourismusbranche sich freuen, die seit Jahrzehnten nichts anderes versucht.
Vierter Vorsatz: Obwohl Schleswig-Holstein vor allem mit Hamburg kuschelt, soll auch der nördliche Nachbar, Dänemark, nicht vergessen werden. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen fährt darum zu seiner ersten offiziellen Auslandsreise über die Grenze – bei den Gesprächen wird es vor allem darum gehen, die Bedingungen für Pendler und die Zusammenarbeit in der Grenzregion zu verbessern.
Fünfter Vorsatz: Die Strukturreform soll weitergehen. Die Gespräche in den Kreisen und Städten sind beendet, nun sollen klare Pläne folgen. Es geht darum, die Ämter zu vergrößern und Aufgaben anders zwischen Landes-, Kreis- und Gemeindeebene zu verteilen. 2007 soll dazu ein Gesetz in Kraft treten.
Sechster Punkt ist die Neuordnung der Hochschullandschaft –Wissenschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) hatte vorgeschlagen, die drei Standorte zu einer Landes-Uni zu fusionieren, außerdem soll eine Präsidialverfassung eingesetzt werden. Ob das bis Ende 2006 geschieht, ist unklar, sagt Hauck: „Wir sind im Prozess.“
Und einen ganz persönlichen guten Vorsatz hat Ministerpräsident Peter Harry Carstensen: Auch 2006 will er so oft wie möglich Medaillen, Orden, Ehrenurkunden und andere Papiere mit Schleifchen dran persönlich überreichen. „Es geht um die Würdigung von Verdiensten“, erklärt sein Sprecher. „Das ist schon Sache des Ministerpräsidenten.“ Das dürfte nicht nur die so Geehrten, sondern auch die Opposition freuen. Um FDP-Chef Wolfgang Kubicki zu zitieren: „Während kein Weihnachtsmarkt vor unserem Ministerpräsidenten sicher ist, gibt es wenigstens einige, die versuchen, Politik zu machen.“
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