: Zweiter Gründungsboom in der Biotechbranche
ZUKUNFT Neue Firmen vor allem in den Bereichen Pharmazie, Dienstleistungen und Informatik
BERLIN taz | Die Biotechnologie in Deutschland erlebt ihren zweiten Gründungsboom. 20 neue Unternehmen sind 2012 gegründet worden, insgesamt zählt die Branche damit 565 ausschließlich mit Biotechnologie befasste Firmen. 128 Unternehmen befassen sich nur zum Teil mit dem Thema. Das geht aus einem am heutigen Mittwoch veröffentlichten Marktbericht hervor, den das Onlineportal biotechnologie.de im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung erstellt hat.
Demnach stieg der Umsatz der Branche im vergangenen Jahr um 11 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro, die Zahl der Mitarbeiter wuchs um 7 Prozent auf insgesamt 17.430 Beschäftigte. Allerdings: Ausgerechnet die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sinken – von 975 Millionen Euro im Jahr 2011 auf 934 Millionen. Hauptsponsor blieb die öffentliche Hand, allerdings ändert sich das Finanzierungsmodell der Branche: Bekamen die Firmen ihr Geld bislang vor allem von wenigen milliardenschweren Risikokapitalgebern, werden sie nun zunehmend verkauft – und kommen so zu neuem Geld.
Zur Biotechnologie-Branche gehören Hersteller von Medikamenten wie Produzenten von Waschmitteln, Kunststoff oder genmanipulierten Pflanzen.
Um die Jahrtausendwende waren die Unternehmen Teil des Booms am Neuen Markt, mit riesigen Versprechen von Innovationen und Gewinnen. Viele Firmen verschwanden in der Versenkung, als die New-Economy-Blase platzte.
Heute sind die Erwartungen an neue Medikamente, etwa zur Bekämpfung von Krebs, immer noch groß, gemischt allerdings mit einer großen Portion Realismus. Immer wieder scheitern neue Arzneimittel in späten Phasen der Entwicklung. Bislang haben deutsche Biotechnologie-Unternehmen nur neun Therapeutika zur Zulassung gebracht. Trotzdem dominiert die „rote“, also die pharmazeutische Biotechnologie, das Gründungsgeschehen: Sieben der 20 neuen Firmen arbeiten in diesem Bereich.
Genmanipulation kein Renner
Zehn der Neugründungen betreffen den Bereich Dienstleistungen oder Bioinformatik, drei zählen zur „weißen“ Biotechnologie, die industrielle Anwendungen untersucht. Sie stellt zum Beispiel Enzyme her, die auch bei niedrigen Temperaturen effizient Wäsche waschen können, oder produziert aus Zucker Kunststoffe. Allerdings gehen die Hersteller laut einer jüngst vorgestellten Studie des Kölner „Nova-Instituts“ eher in Länder, in denen sie neben guten „politischen Rahmenbedingungen“ auch ausreichend Biomasse vorfinden. Das sind eher Brasilien und asiatische Länder als das kleine Deutschland. Die Zahl der Neugründungen in der „grünen“ Biotechnologie, die sich der Genmanipulation von Pflanzen widmet, betrug im vergangenen Jahr übrigens Null. H. HOLDINGHAUSEN
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