: Im Hamsterrad des Haushalts
GELD Schlagabtausch in der Bürgerschaft: Die Fraktionen streiten über Doppelhaushalt und Sanierungspfad. Die Kernfrage lautet: Wie viel Schulden müssen wir uns leisten?
VON HENNING BLEYL
„Die Senatorin hat Hamsterbäckchen.“ Thomas Röwekamp, Fraktions-Chef der CDU, wähnte sich rhetorisch gestern offenkundig in Bestform. Seine Bühne: der erste parlamentarische Schlagabtausch zum Doppelhaushalt 2014/15. Die Finanzsenatorin, so der sichtbar um dynamische Posen bemühte Oppositionsführer, bunkere 27 Millionen Euro als „Reserve“, um damit nach Belieben „klientelnahe Projekte“ zu finanzieren. Beispiele gibt Röwekamp nicht zum Besten, wohl aber eine Bewertung: „Das ist Geld, das vor dem Parlament versteckt wird.“
Harter Tobak für eine grüne Senatorin, die Transparenz zur Leitlinie ihres Handelns erklärt hat. „Sie zeichnen ein Zerrbild, mit ihrer Kritik haben Sie jedes Maß verloren“, entgegnet Linnert in betont ruhigem Ton. Das Anlegen einer Grundsicherungs-Reserve sei haushalterisch geboten, ebenso das Nicht-Ausschöpfen des Kreditrahmens – letzteres wirft ihr die Linkspartei vor. Es sei ein „strategischer Fehler“, sagt deren haushaltspolitischer Sprecher, Karl-Heinz Rupp, die vom Stabilitätsrat genehmigte Maximal-Verschuldung nicht voll zu nutzen. 2014 will der Senat die Kreditlinie um 118 Millionen Euro unterschreiten, 2015 um 138 Millionen. Der Hintergrund: Das Finanzierungsdefizit soll sich bis 2017 mit 343 Millionen Euro mehr als halbiert haben.
Während die Linkspartei die damit „programmierte Personalnot“ beklagt, hält die Regierung den „Sicherheitsabstand“ für eher knapp kalkuliert. In der Tat: Die finanziellen Risiken etwa der städtischen Kliniken, insbesondere des Neubaus an der St. Jürgenstraße, werden von keiner Seite bestritten. Im Februar kursierte in einem internen Papier der Finanzbehörde deswegen der Vorschlag, „die Probleme der kommunalen Kliniken zunächst auszuklammern“, um einen „Dammbrucheffekt zu vermeiden“. Gestern nun erklärte die Finanzsenatorin offiziell, dass erst 2013 für die Klinikholding ein gesondertes Gesamtkonzept vorgelegt werde.
Klar ist: der Doppelhaushalt 2014/15 ist mit 4,53 beziehungsweise 4,58 Milliarden Euro umfangreicher als zunächst geplant. Die Steigerung beträgt rund 1,5 Prozent. Aus Röwekamps Sicht bedeutet das: „Obwohl Sie immer mehr Geld ausgeben, verteilen Sie es immer ungerechter.“ Röwekamps Ungerechtigkeits-Empfinden bezieht sich dabei auf die nur partielle Übernahme der Tarifabschlüsse des öffentlichen Dienstes für die BeamtInnen. Während das untere Gehaltsdrittel komplett angeglichen wird, geschieht dies beim mittleren Drittel nur teilweise und zeitverzögert, die Bestverdienenden gehen leer aus. Aber auch innerhalb des oberen Drittels geschieht der CDU zufolge Unerhörtes: „Wie können Sie einem Oberarzt mehr zugestehen als einem Staatsanwalt?“, fragt Röwekamp – mit dramatischem Tremolo in der Stimme.
Auch wenn man die „soziale Spaltung“, die die CDU der Koalition auf Oberarzt-Ebene vorwirft, nicht nachvollziehen mag: Die Personalkosten stellen ein wesentliches Etat-Risiko dar. Sie machen über ein Viertel des Gesamthaushalts aus, sind aber in den aktuellen Eckwerten für 2014/15 lediglich mit einer einprozentigen Steigerung berücksichtigt. Da die Tarifabschlüsse in aller Regel weit darüber liegen, kann das nur mit Tarifflucht oder Personalabbau realisiert werden. In den Bereichen Erziehung, Bildung und Sicherheit, verspricht die Koalition, werde es dennoch keinen Stellenrückgang geben. Trotz sinkender Schülerzahl gebe es nicht weniger Lehrer, sagt der grüne Haushaltsfachmann Hermann Kuhn, 2014 und 2015 würden jährlich 100 neue Kita-Plätze geschaffen. Zudem, betont Kuhn, „zahlen wir trotz Haushaltsnotlage Mindestlohn“.
„Ich könnte fünf Sunden am Stück erzählen, was ich noch alles gern finanzieren würde“, erklärt Linnert – „so wie Fidel Castro“. Tatsächlich wirkt sie entsprechend müde. Umso munterer und angriffslustiger präsentiert sich der Bürgermeister: Jens Böhrnsen (SPD) geißelt Röwekamps Äußerungen als „skandalös“, etwa dessen Aussage, die Bremer Wirtschaftskraft sei ausschließlich auf Grund externer Faktoren gestiegen – nicht aber auf Grund landespolitischer Leistungen.
Und die Linkspartei? Hat für die Schulden einen ganz anderen Vorschlag. Rupp: „Die Reichen von heute sollen die Schulden von heute bezahlen“ – in Form einer Vermögensabgabe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen