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Modetrend Jägerdress

Vorsätze und Wünsche: In Kiel und Hamburg ist die Vorfreude auf das neue Jahr groß. Was die anderen Nord-Clubs treiben und 2006 alles passieren kann, zeigt unsere subjektive Jahresvorschau

von H. Ternieden, C. Görtzen und O. Göttlich

Eine Stadt sieht blau. Und ein bißchen schwarz. Auch weiß ist dabei. Aber grün? Nein, der HSV ist ja kein Jäger. Schon gar kein Bayern-Jäger, wie die Offiziellen immer wieder betonen. Trotz Platz zwei – hinter den Bayern. Der gute Vorsatz sollte also lauten, das Grüne hinter den Ohren hervorzuholen und es auf das Trikot zu schmieren, damit es sich besser jagen lässt, sonst kommen noch die Bremer in ihren grünen Leibchen daher...

Modefarben aus Kiel

Zebras im Galopp können unerbittlich sein. Diese Erfahrung haben sogar schon die unmittelbaren Konkurrenten um die Meisterschaft machen müssen. Der Kieler 54:34-Sieg über den SC Magdeburg – eine Lehrstunde in Sachen Tempohandball – zeigt zweierlei: Zum einen ist das Leistungsgefälle in der 18 Mannschaften umfassenden Bundesliga viel zu groß; zum anderen ist der THW Kiel das Maß aller Dinge. Kiel rennt zur nächsten Meisterschaft. Die Modefarben des Sommers werden schwarz-weiß sein – längs gestreift.

Kiel - auch zu Fuß

So recht will es die Konkurrenz nicht einsehen und auch die Experten tun sich noch schwer damit, Regionalligist Holstein Kiel zum ersten Aufstiegskandidaten zu erklären. Vielleicht sollte der Kieler Vorstand ihnen ein paar Eintrittskarten spendieren, damit sie sich ein Bild von der Leistungsstärke der Kieler Kicker verschaffen können. So würden die Kieler gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Liga endgültig von der eigenen Spielkunst überzeugen und ganz nebenbei den Zuschauerschnitt aufbessern. Der ist mit nicht einmal 4.500 Zuschauern pro Heimspiel nur Mittelmaß, ganz im Gegensatz zur sportlichen Leistung. Auch deshalb muss der größte Wunsch für 2006 lauten: mehr Publikum, alles andere ist zweitrangig. Außer dem Aufstieg, der ist auch nicht unwichtig.

Werder angelt einen Titel

Das mit dem Angeln hat Miroslav Klose doch von Pelé kopiert. Der hat sich auch am besten mit dem Fischfang auf Spiele vorbereitet. Doch allein das wird reichen, um einen Titel in dieser Saison zu holen, was am einfachsten wäre, wenn Klaus Allofs noch einen Neuzugang für die Abwehr am Haken hätte. Den Vorsatz immer den attraktivsten Fußball der Liga spielen zu wollen, unterstützt die taz gern nach Kräften.

Es flenst woanders

Im DHB-Pokal sind sie schon draußen. Der THW Kiel hat dafür gesorgt. In der Meisterschaft beträgt der Rückstand auf den Nordrivalen schon drei Punkte – und so albern sich so etwas nach gerade einmal der Hälfte einer Saison anhören mag: Das könnte schon zu viel sein. Bleibt also die Champions-League. Gegner im Viertelfinale ist – der THW. In der Bundesliga wird die SG Flensburg-Handewitt Zweiter werden – hinter dem THW.

Fernsehen mit St. Pauli

Das erste „Spiel des Jahres“ 2006 findet bereits am 25. Januar statt. Dann gastiert Werder Bremen am Millerntor, die beste Offensive der Nation trifft auf die sicherste Hintermannschaft der Regionalliga Nord. Klar, dass sich die Wünsche der Fans zunächst um dieses Highlight drehen. Erstens: Eine weitere Pokalsensation in der das Elfmeterschießen die Entscheidung bringen soll. Zweiter Wunsch der Fangemeinde: Dabei sein. Der Kartenverkauf beginnt am 2. Januar, am selben Tag wird er wahrscheinlich schon wieder beendet sein. Alle, die draußen bleiben müssen, dürfen sich auf die Live-Übertragung der ARD freuen.

Da wird auch Holger Stanislawski nicht fehlen. Dessen Vorsätze für das neue Jahr dürften auf der Hand liegen: Eine bezahlte Stelle als sportlicher Leiter etwa, jede Menge Tore von Neuzugang Jens Scharping und ein gelungener Start in die kommende Zweitliga-Saison. Ach ja, zwischendurch aufsteigen wär auch nicht schlecht.

Hannover unplugged

Das Vorweg: Das schönste Spiel des Jahres in Hannover wird am 12. Juni Italien gegen Ghana werden. Auch wenn die Mannschaft unter Neu-Coach Peter Neururer in ungeahnt hohe Tabellenregionen vorgerückt ist, kaschiert das die Turbulenzen der Führungsriege nur schwach. Den besten Vorsatz machte 96 sich damit, die verwirrende Gesellschafterstruktur aufzulösen um die Hahnenkämpfe gockeliger Profilneurotiker zu unterbinden. Oder man holt gleich Martin Kind zurück. Den wollte die taz schon immer mal mit Peter Neururer tanzen sehen.

Dimension Osnabrück

Als Aufstiegskandidat in die Saison gestartet, hat der VfL nach einer Serie von Auswärtspleiten eine „neue Dimension der Peinlichkeit“ (Neue Osnabrücker Zeitung) erreicht. Osnabrück überwintert auf Platz sieben, der Rückstand auf Patz zwei beträgt neun Punkte. Die Wunschliste für 2006 ist dementsprechend lang. Dass das das Team mal wieder so leidenschaftlich spielt wie ihr Trainer Claus-Dieter Wollitz Sätze aneinanderreiht. Und dass die Mannschaft ihre Spiele mal wieder mit elf Mann beendet (6 Gelb-Rote und 2 Rote Karten in der Hinserie).

Wölfe mit Auge

Man darf gespannt sein, wie stark die Wolfsburger „Wölfe“ nun mit Auge spielen. Der neue Trainer Klaus Augenthaler erhielt den Vorzug vor Ralf Rangnick in Wahrheit nämlich nur aufgrund seines Namens. Jetzt soll häufiger ins Tor getroffen werden, wünscht sich der Trainer. Und ein endgültiges Ende der europäischen Visionen der Autobauern. So wird es was mit dem gewünschten Nichtabstieg. Vorausgesetzt dass sich die Spieler auch vor den Spielen aufwärmen wollen.

Lübecks Unterwasserblase

Mitte Dezember wählten die VfB-Mitglieder Udo Niels in einer turbulenten Woche an die Spitze des Wirtschaftsrats, der sich um Sponsorensuche und den Etat des Vereins kümmert. Dabei ist ihm 2006 eine Menge Geschick zu wünschen, denn seine Aufgabe wird alles andere als einfach. Die Finanzierung eines weiteren Regionalliga-Jahres wäre ein Kraftakt.

Damit der vermieden wird, wünscht sich Trainer Stefan Böger einen neuen Offensivspieler. Der größte Wunsch aller Beteiligten bleibt aber der Aufstieg. Vielleicht wird er ja ebenso wahr, wie der Traum des Hauptsponsors: Dann könnte das Team die Rückkehr in die zweite Bundesliga vor der Küste von Dubai feiern – im Unterwasserhotel Hydropolis.

HSV - ohne Händchen

HSV Handball – die große Enttäuschung der Saison. Der Auftakt ging so gründlich daneben, dass Trainer Christian Fitzek gehen musste. Kurze Zeit später war Fitzek wieder da – als Sportlicher Leiter. Dieser Posten wurde eigens für ihn geschaffen. Mit Nachfolger Martin Schwalb als Cheftrainer ging es zwar in der Tabelle aufwärts, mehr als Mittelmaß ist aber nicht dabei herausgekommen. Dabei wird es wohl auch bleiben, wobei Prognosen für diesen Verein schwierig sind. Alles ist möglich und nur eines wahrscheinlich – dass Präsident Andreas Rudolph, der den Verein nach Gutsherrenart zu führen pflegt, früher oder später wieder lospoltern wird.

Emden mit Haupthaar

Was wünscht sich ein Regionalliga-Aufsteiger, der nach 20 Spielen im gesicherten Mittelfeld der Tabelle rangiert? Ein neues Stadion? Wurde bereits zur aktuellen Saison umgebaut. Einen neuen Spieler? Schon erfüllt. In der Rückrunde bereichert Denni Patschinsky die Ostfriesen-Offensive. Für Präsident Engelbert Schmidt waren die letzten 12 Monate „durchweg positiv“. Damit im nächsten Jahr auch die kleinsten Probleme ausbleiben, sei den Kickers folgendes gewünscht: dass die Haarpracht aller Spieler dicht und voll bleibt. Dass Trainer Marc Fascher (dessen Haarpracht kaum noch zu retten ist, auch nicht mit im Sport verbotenen Substanzen) den Verein auch in der nächsten Regionalliga-Saison trainiert. Dann kann das Team die Liga auch weiterhin so schön aufmischen. Warum der Klassenerhalt an dieser Stelle nicht in die Wunschliste aufgenommen wurde? Den schaffen die Kickers sowieso, hat die taz ja schon vor der Saison prophezeit.

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