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Muslim-Test im Kreuzverhör

Der Muslim-Test für Einbürgerungswillige in Baden-Württemberg könnte Probleme bringen: Für die Behörden ist er schwer zu handhaben und vor Gericht angreifbar. Trotzdem hält die CDU daran fest – obwohl die Koalitionspartner von der FDP mäkeln

VON H. PLATEN, C. FÜLLER UND G. LÖWISCH

Christiane Kruse-Michalowski rechnet mit dem ersten Terminen Ende Januar. Dann wird der erste Ausländer in ihrem Mannheimer Amt sitzen, einer ihrer Sachgebietsleiter wird dem Einbürgerungswilligen Fragen aus dem umstrittenen Leitfaden des baden-württembergischen Innenministeriums stellen und die Antworten gleich in seinen Computer eintippen.

Mindestens eine Stunde wird die Prüfung dauern. „Es wird schon wesentlich mehr als eine Seite werden“, sagt die Leiterin der Mannheimer Ausländerbehörde. „Das wird dann ausgedruckt und zur Unterschrift vorgelegt.“ Fragt man Kruse-Michalowski, ob sie das Ganze für sinnvoll hält, lacht sie und meint lapidar. „Ich bin Beamte.“

Tatsächlich ist der Muslim-Test von Baden-Württembergs Innenminister Heribert Rech (CDU) nicht gerade ein Traum für die Ausländerbehörden in den Rathäusern und Landratsämtern. „Der Erlass des Innenministeriums gibt keine harten Beurteilungskriterien vor“, hat die Stuttgarter Ausländerbehörde im Dezember in einem Vermerk festgehalten und lässt das Gespräch deshalb lieber von zwei Mitarbeitern führen. Wenn Zweifel aufkommen, soll lieber noch der Vorgesetzte eingeschaltet werden.

Der Integrationsbeauftragte der Landeshauptstadt, Gari Pavkovic, bezweifelt, dass alle Antragsteller in der Lage sind, die komplexen Fragen zu verstehen. Und dass die Behördenmitarbeiter in der Lage sind, sie zu bewerten. „Hätten Sie bei bestimmten Berufen Schwierigkeiten, eine Frau als Autoritätsperson anzuerkennen?“ – „Wie stehen Sie zu Kritik an einer Religion?“ – zu derartigen Fragen lassen sich in der Tat ganze Tagungen abhalten.

Fraglich ist auch, ob das Verfahren gerichtsfest ist. „Dieser Fragebogen geht weit über das Zulässige hinaus“, sagt der Chef des Bundestags-Innenausschusses Sebastian Edathy (SPD). Es gehe doch den Staat „null Komma nichts an, wie jemand zum Schwulsein steht“. Ausgerechnet in einer Prüfung zur Verfassungstreue werde ein Fragebogen eingesetzt, der dem Geist der Verfassung widerspreche. Die türkische Gemeinde in Deutschland rät, auf die Fragen gleich gar nicht zu antworten. Wer dann keinen deutschen Pass kriegt, könne auf die Rechtsberatung der Organisation zählen.

Gute Kritiken bekommt der Fragebogen sowieso nicht. SPD, Grüne und Linkspartei sprechen von Diskriminierung. Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, hat sich sogar an die OSZE gewandt: „Gesinnungsprüfung“, schimpft er: „Schande für Deutschland!“

Baden-Württembergs Innenminister Rech erschüttert das nicht. Der Leitfaden solle doch den Behörden die Arbeit erleichtern, lässt der CDU-Mann eine Sprecherin erklären. „Wir sind der Auffassung, dass die deutsche Staatsangehörigkeit nur derjenige erhalten soll, der sich aus innerer Überzeugung zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bekennt und unsere Werteordnung akzeptiert.“

Das erklären auch Rechs Koalitionspartner von der FDP. Allerdings müsse das dann auch für alle gelten, sagt die Chefin der Südwest-Liberalen Birgit Homburger zur taz. „Nur für Muslime, das geht nicht, das ist inakzeptabel.“

Die FDP bemüht sich seit Monaten, ihr Profil als Bürgerrechtspartei zu schärfen. Die Überprüfung privater Einstellungen sei nicht zielführend, sagt Homburger: „Manche der Fragen müssen noch einmal genau besprochen und überarbeitet werden.“ Demnächst werde ihr Parteifreund, Justizminister Ulrich Goll, gleichzeitig Ausländerbeauftragter der Landesregierung, mit Rech über das Thema diskutieren: „Es wird noch diverse Gespräche geben.“

Ende März wird in Baden-Württemberg gewählt. Da wird sich auch die CDU kaum von ihrem Juniorpartner einen Ministererlass aus der Hand schlagen lassen.

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