portrait: Bergsteiger und Dalai-Lama-Freund
Extrembergsteiger, Gottesfreund und durch die Eiger Nordwand und den Dalai Lama zu Weltruhm gelangt. Heinrich Harrer, der am Samstag in seiner Heimat Kärnten starb, hat in seinen fast 94 Lebensjahren viele Höhe- und einige Tiefpunkte erlebt.
Den elfjährigen 14. Dalai Lama lernte er 1946 in der tibetischen Hauptstadt Lhasa kennen. Dorthin war er durch eine abenteuerliche Flucht aus Indien gelangt. Die britische Kolonialmacht hatte Harrer und die anderen Mitglieder eines deutschen Expeditionsteams nach einer gescheiterten Nanga-Parbat-Besteigung bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs festgenommen und interniert. Im Lager lernte Harrer Hindostani, Tibetisch und Japanisch.
Das half ihm, als ihm 1944 der fünfte Ausbruchsversuch gelang. Die Flucht führte über 2.000 Kilometer Fußmarsch und rund 50 Gebirgspässe auf über 5.000 Meter Höhe nach Tibet. Diese verwegene Geschichte und wie er zum Erzieher des jungen Gottes wurde, erzählt Harrer in seinem Beststeller „Sieben Jahre in Tibet“.
Nach seiner Rückkehr nach Österreich 1952 erwartete Harrer eine Entnazifizierungskommission. Er war 1938 der SS beigetreten und hatte vor seiner Nanga-Parbat-Expedition die Mitgliedschaft in der NSDAP beantragt. Eine „unangenehme Sache“, sagte Harrer Ende der 90er-Jahre. Er habe aber im Rahmen der SS nie „irgendwelche Tätigkeiten“ ausgeübt.
Das ist insofern glaubwürdig, als der Extrembergsteiger zeit seines Lebens ein Sportler mit Herz und Seele war, der die Parteiverbindungen nützlich fand, um seiner Passion nachgehen zu können. Als SS-Oberscharführer war der Sportlehrer ausersehen, SS-Leute zu trainieren. Seine Gefangennahme in Indien verhinderte nicht nur diese Arbeit, sondern bannte wohl auch die Gefahr, zu „irgendwelchen Tätigkeiten“ im Zweiten Weltkrieg herangezogen zu werden.
Begonnen hatte die unglückliche Verbindung nach der erfolgreichen Erstbesteigung der Eiger Nordwand 1938. Harrer und seine zwei deutschen Kollegen wurden von Adolf Hitler empfangen. Nach seiner Rückkehr nach Graz, wo er Geografie und Sport studiert hatte, sei die SS an ihn herangetreten, bekannte Harrer später.
„Wenn ich die Zivilisation hinter mir lasse, fühle ich mich sicher.“ Dieses Motto lebte der Kärntner. Im Himalaja, in den Anden, in Grönland, Alaska oder Papua Neuguinea konnte er der Zivilisation entfliehen. 20 Bücher künden von seinen Taten. Die Freundschaft mit dem Dalai Lama hielt ein Leben lang. Die Grundsteinlegung für sein letztes Projekt, ein tibetisches Zentrum in seiner Heimatgemeinde Hüttenberg, sollte Harrer nicht mehr erleben.
RALF LEONHARD
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