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Dosierter Krach um Atomkraft

Energie II – CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos betont seinen Friedenswillen, schießt aber kleine Pfeile gegen SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel

„Ein längerer Einsatz der Kernenergiekönnte uns vielleicht entlasten“

BERLIN taz ■ Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) will zwar keinen Streit um die Atomkraftwerke mit der SPD – hätte aber die deutschen Meiler gerne länger am Netz. Er will sich an den Koalitionsvertrag halten, nach dem bis 2020 mindestens 20 Prozent des deutschen Stroms aus erneuerbaren Energien stammen sollen. Doch er weist gleichzeitig darauf hin, dass dieses „ambitionierte Ziel“ nicht so einfach zu erreichen sei. Klimaschutz sei wichtig – aber auch nicht wichtiger als Wirtschaftlichkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit. Bei seinem ersten großen Auftritt vor der deutschen Energiewirtschaft machte Glos deutlich, dass ihm die Stromerzeuger und Verbraucher aus der Wirtschaft näher sind als der Koalitionsvertrag oder gar der Kabinettskollege Sigmar Gabriel (SPD) aus dem Bundesumweltministerium.

Nicht, dass das bei einem Wirtschaftsminister grundsätzlich überraschen würde. Auch Glos’ Vorgänger machten keinen Hehl aus ihrer Nähe zu den Konzernen. Doch während Werner Müller und Wolfgang Clement immer wieder die wichtige Rolle der Kohle für die deutsche Stromerzeugung betonten, zieht Glos als Anwalt der Atomkraft durch das Land. So auch gestern auf einer energiewirtschaftlichen Tagung in Berlin. Eine Debatte über die Atomkraft sei trotz der Vereinbarungen im Koalitionsvertrag nicht ausgeschlossen, so Glos: „Ich will hier nicht den Ausstiegsbeschluss in Frage stellen, sondern nur die Fakten angesichts einer veränderten Lage klären.“ Das Ende der Atomkraft bedeute höhere Abhängigkeit vom Gas aus dem Ausland.

„Mit Blick auf die Gas-Turbulenzen frage ich mich wirklich, ob eine solche Entwicklung tragfähig ist“, sagte der Wirtschaftsminister. Die Preise für Gas würden weiter steigen. „Ein längerer Einsatz der Kernenergie in der Stromerzeugung könnte uns da vielleicht entlasten.“ Und das Uran für die Atomkraft werde nicht knapp, auch wenn es „dem Kollegen Umweltminister in die Reden geschrieben wird“. Zustimmendes Nicken bei den Vertretern der großen Stromkonzerne.

Windkraft? Solarstrom? Für Glos keine echten Alternativen. Schließlich stünden diese Energiequellen nicht dauerhaft für Grundlaststrom zur Verfügung. Das Erneuerbaren-Energien-Gesetz werde zwar fortgeführt – „so sagt es zumindest die Koalitionsvereinbarung, und die will ich nicht brechen“. Doch in den kommenden zwei Jahren müsse die Förderung noch mal „auf wirtschaftliche Effizienz“ überprüft werden. Damit nicht irgendetwas „überfördert“ wird.

Wer so viele Pfeile gegen den Koalitionspartner schießt, muss auf Gegenwehr nicht lange warten. Der SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler warf Glos vor, er belaste mit „ständigen Störfeuern“ das Koalitionsklima. „Es bleibt beim Atomausstieg.“

Das dürfte Glos nicht anfechten. Schließlich sieht er sein Ministerium in der Führungsrolle. „Energiepolitik ist in aller erster Line Wirtschaftspolitik.“ Und weil die Volkswirtschaft unter hohen Strompreisen leide, legt sich Glos zumindest in einem Punkt mit den Versorgern an. Die würden nämlich auch den hohen Preis, den die Börse mittlerweile für CO2-Emissionszertifikate bezahlt, in ihre Strompreiskalkulation einbeziehen. Schließlich entsteht bei der Stromproduktion ja CO2.

Allerdings haben die Versorger ihre Zertifikate umsonst bekommen. Das sorgt für Mitnahmeeffekte. Ob diese volkswirtschaftlich gerechtfertigt sind, will das Ministerium nun überprüfen. STEPHAN KOSCH

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