Imagepflege: Kaderschmiede
„Wer sagt das?!“ Wenn Bremer damit konfrontiert werden, dass ihre Universität immer noch als „rote Kaderschmiede“ bekannt ist, gehen sie sofort in die Defensive. „Doch nur bei taz-Lesern“, sagt Klaus Sondergeld, ehemaliger Bremer Regierungssprecher und heute als Chef der Bremen Marketing GmbH verantwortlich für Bremens Image. Er führt die Vorauswahl im Wettbewerb um Spitzenuniversitäten – Bremen ist eine von zehn ausgewählten Hochschulen – als Grund dafür an, dass man sich jetzt doch wirklich nicht mehr mit diesen alten Geschichten befassen müsse. Selbst der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft hätte sich im jüngsten Spiegel „beeindruckt“ gezeigt „von der Dynamik dieser Uni“, zitiert Sondergeld. Dass Professoren in Hochschul-Rankings immer wieder angeben, ihre Kinder lieber nicht zum Studium an die Weser schicken zu wollen, wundert ihn nicht. „Das sind Professoren, die nicht selbst forschen.“ Täten sie das, hätten sie längst erkannt, dass an der Bremer Uni Wissenschaft betrieben werde und nicht Politik. Zehn Millionen Euro für Werbemaßnahmen müsste man ausgeben, um diese Unbelehrbaren zu erreichen, schätzt Sondergeld. Oder auf ihre NachfolgerInnen setzen.
Und dennoch: Der Begriff haftet offenbar sehr fest. Kaum ein Artikel über die Entwicklung der erst 1971 gegründeten Universität kommt ohne die Erwähnung der „roten Kaderschmiede“ aus. Dabei ist von der nichts mehr übrig. Kaum noch ein Hochschullehrer, eine Hochschullehrerin, die sich als Marxist oder Marxistin bezeichnen würde. Dafür gibt es „Lehrstühle“, „Dekane“, „Proseminare“ und „Vorlesungen“ – ein Vokabular, das Bremer Studierende erst spät kennen lernten. Lehrende und Studierende sollten in „Veranstaltungen“ und „Projekten“ miteinander forschen, interdisziplinär, gleichberechtigt, ohne Notendruck – zumindest in der Theorie. Davon ist nicht mehr viel übrig geblieben, ganz zu schweigen von der so genannten Drittelparität, bei der Lehrende, Studierende und andere Uni-MitarbeiterInnen gleiches Stimmrecht in den zahlreichen Selbstverwaltungs-Gremien hatten. Apropos: Für diese Sitzungen war bis in die 90er der Mittwoch-Vormittag reserviert gewesen, Lehrveranstaltungen sollten nicht stattfinden. Die Offenheit für neue Lernformen spiegelte sich auch im Gebäude wieder. So ließen sich im GW II (Geisteswissenschaften II) die Wände verstellen, um spontan Raum zu schaffen. Heute befinden sich an dieser Stelle fensterlose Hörsäle.
Bremens Image-Macher Sondergeld kann diesen alten Zeiten, als die neu gegründeten Reform-Unis versuchten, den Muff unter den Talaren zu lüften, durchaus Positives abgewinnen. Zwar würden die Erinnerungen daran immer wieder „die Rankings versauen“, wie er sagt. Andererseits glaubt er, dass die Interdisziplinarität, die Bereitschaft über Fächergrenzen hinauszudenken, für die Bremen jetzt ausgezeichnet wurde, seine Wurzeln in den Anfängen der roten Kaderschmiede hat. Auch der Praxisbezug, der damals allerdings „unter linken Vorzeichen“ beschworen wurde, wie Sondergeld erinnert, habe sich ausgezahlt. „Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft klappt hier besser als anderswo.“
Bleibt das Problem mit dem Image. Kann man es nicht positiv wandeln – als Bestandteil der Corporate Identity? Sondergeld winkt ab. So etwas ginge nach hinten los. Und wie heißt es doch: „You never get a second chance to make a first impression.“ eib
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