: Teurer Kreuzer
PERSONALIE Mit der Verkündung eines neuen Sportdirektors beschwichtigt der HSV-Aufsichtsrat die Mitgliederversammlung – ganz ungeschoren kommt der Verein aber trotzdem nicht davon
MANFRED ERTEL, AUFSICHTSRATSCHEF HSV
VON RALF LORENZEN
Unter anderen Umständen hätte man von einem perfekten Timing sprechen können. Kurz nach Beginn der Mitgliederversammlung am Sonntag verkündete HSV-Aufsichtsratschef Manfred Ertel Vollzug in der wichtigsten Personalie dieses Sommers: „Wir freuen uns, dass Oliver Kreuzer neuer Sportchef sein wird“, sagt Ertel in der Hamburger Imtech-Arena.
Die Umstände der Verpflichtung des 47-jährigen Ex-Profis, der noch bis zum 11. Juni in Diensten des Karlsruher SC steht, fügten sich allerdings so nahtlos in die Pannenserie bei der Besetzung dieser Schlüsselposition seit der Demission von Dietmar Beiersdorfer vor vier Jahren ein, dass es sich der Aufsichtsrat überhaupt nicht leisten konnte, die Versammlung ohne diese Vollzugsmeldung über die Bühne zu bringen.
Nachdem sich der HSV schon ein paar Tage mit Oliver Kreuzer einig war, lagen die Positionen zwischen den beiden Vereinen noch bis Samstag weit auseinander. Der Zweitligaaufsteiger aus Baden wird durch den Abgang seines Sportdirektors so empfindlich in den Planungen für die kommende Saison gestört, dass Präsident Ingo Wellenreuther eine Million Euro forderte.
Das Gegenangebot des HSV in Höhe von 100.000 Euro hatte Wellenreuther als lächerlich bezeichnet und stattdessen eine Ausleihe von Hakan Calhanoglu ins Gespräch gebracht, der zum 1. Juli vom KSC nach Hamburg wechselt. Darauf konnte der HSV sich nicht einlassen, da der Mittelfeldspieler fester Bestandteil der Kaderplanung ist.
Während solche Differenzen im Profigeschäft normal sind, ist es eine HSV-Spezialität, dass frühzeitig bekannt wurde, wann und wo sich beide Parteien treffen wollten. Beim Treffen am Samstag am Rande des Pokalfinales in Berlin stand der HSV aufgrund stockender Saisonplanungen und der bevorstehenden Mitgliederversammlung unter Zugzwang – eine Tatsache, die die Verhandlungsposition der Karlsruher sicherlich nicht geschwächt hat. So sollen die Badener vom Entgegenkommen der Hamburger denn auch so beeindruckt gewesen sein, dass sie deren finalem Angebot in der Nacht zustimmten.
Es sieht eine Ablösesumme von 650.000 Euro vor, von der Kreuzer 50.000 Euro aus eigener Tasche bezahlt und 200.000 Euro durch ein Freundschaftsspiel hereinkommen sollen. Für den HSV bleiben 400.000 – zusätzlich zur Abfindung von einer Million Euro, die der geschasste Sportdirektor Frank Arnesen erhält. Durch Prämien wie die Europacup-Teilnahme kann der KSC auf weitere Einnahmen von bis zu 300.000 Euro kommen.
Kreuzer wird im zweiten Versuch Sportdirektor des HSV. Seine erste Bewerbung vor vier Jahren zog er zurück, nachdem ihm klar gemacht wurde, dass der damalige Vorstand seinen Mitbewerber Roman Grill eindeutig favorisierte. Diesmal setzte er sich beim Aufsichtsrat mit seinem Konzept gegen den ehemaligen Hannover-96-Sportchef Jörg Schmadtke durch.
Für Kreuzer soll sich auch Trainer Thorsten Fink ausgesprochen haben, der nach der Trennung von Arnesen gefordert haben soll, dass der Neue gut zu ihm passen müsse. Ob das der Fall ist, konnten beide 2006/07 ausprobieren, als sie gemeinsam für Red Bull Salzburg tätig waren: Kreuzer als Sportdirektor und Fink als Junioren- und später Co-Trainer. Auf beide wartet in den nächsten Wochen viel Arbeit, da andere Vereine in ihrer Kaderplanung schon weiter sind.
Präsident Carl Edgar Jarchow verteidigte die bevorstehende vorzeitige Verlängerung des Vertrages mit Vermarkter Sportfive bis 2020. Dafür verzichte Sportfive auf ein Darlehen von 12,4 Millionen Euro und die Einnahmen aus dem TV-Vertrag. Somit beschränkt sich das Bilanzminus laut Jarchow auf einen einstelligen Millionenbetrag.
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