piwik no script img

china, zensur etc.Grenzen festgelegt

Je mehr Brot, desto mehr Spiele. Die Bedürfnisse sind nie ausgereizt. So funktioniert die moderne Kulturindustrie. Pekings Kommunisten, die sonst alles tun, um den Gesetzen des Kapitalismus zu folgen, verstehen das aber nicht. Statt auf die neue Macht der Überreizung setzen sie auf die alte Macht der Zensur. Sie denken wohl, dass das Volk mit weniger Spielen auskommt, wenn es wie derzeit 9,9 Prozent Wachstum bekommt.

So hat der Pekinger Zensor nun gleich dreimal zugeschlagen: Hollywoods Oscar-Favorit, der Schwulenwestern „Brokeback Mountain“, wurde von den regierungstreuen Filmverleihen Chinas genauso ausgemustert wie der mit chinesischen Stars voll besetzte Hollywood-Rührstreifen „Geisha“. Zudem darf Pekings bestes wöchentliches Feuilleton, das der Chinesischen Jugendzeitung beigelegte Magazin Eispunkt, nicht mehr erscheinen. Dreimal hat damit Peking die Grenzen der Meinungsfreiheit festgelegt: Keine Auseinandersetzung mit Homosexualität ist erlaubt, auch nicht die Darstellung japanischer Kultur. Generell wird Selbstkritik untersagt. Eispunkt musste aufgrund der kritischen Kommentierung chinesischer Schulbuchtexte zum Boxeraufstand schließen.

„Brokeback Mountain“-Regisseur Ang Lee hatte noch vergangene Woche in Hongkong gesagt, dass das asiatische Publikum seinem Thema gegenüber offener sei als das amerikanische. Da hatte US-Präsident George Bush bei einem Auftritt in Kansas gerade ausgeschlossen, sich den in Texas spielenden Schwulenwestern von Lee anzuschauen.

Ähnlich irritiert wie Bush von schwulen Cowboys sind Pekings Herrscher von den Geisha-Filmrollen ihrer Superstars Gong Li und Ziyi Zhang – als dürfte sich keine stolze Chinesin der verteufelten japanischen Kultur annehmen. Dabei war der Hollywood-Film „Geisha“ bereits für den 10. Februar in den chinesischen Kinos gesetzt. Doch hohe KP-Kader pfiffen den Verleih zurück. Jahre größerer Zurückhaltung waren vorausgegangen. Vor allem das chinesische Zeitungsfeuilleton begann schon, an die eigene Freiheit zu glauben. Der Glaube starb nun mit dem Ende von Eispunkt.

GEORG BLUME

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen