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Es lohnt sich einfach nicht

Diese Woche streitet die Koalition, wie sie Familien mit Kindern steuerlich helfen kann – anzubieten hat sie nur Kleingeld

Von HEIDE OESTREICH

Große Koalitionen können an ganz kleinen Dingen verzweifeln. Wenn beide Partner etwa gleich stark sind, können sie zum Beispiel ein aufblasbares Gummitier im See sehr schnell bewegen – vorausgesetzt, sie wollen beide in die gleiche Richtung. Wenn sie aber in entgegengesetzte Richtungen ziehen, gibt das einen langen Streit. Und obwohl es nur um ein lächerliches Gummitier geht, nimmt das Gezerre kein Ende.

Das Gummitier heißt Absetzbarkeit von Betreuungskosten. Heute sollte es in einem Spitzengespräch der Koalition eigentlich in Fahrt gebracht werden. Aber noch immer zerren alle Beteiligten an ihm herum. Das Tierchen ist nicht so teuer, 460 Millionen Euro will die Koalition ausgeben. Man kann aber auch nicht allzu viel damit machen: Die Familien, die Steuern zahlen, können sich ein winziges Stückchen ärmer rechnen und etwas weniger Steuern zahlen. Es ist eben doch eher ein Spielzeug.

Um mitspielen zu können, muss man natürlich überhaupt erst einmal Geld für den Fiskus übrig haben. Aus Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Familienministeriums kann man aber errechnen, dass ein Drittel aller Familien überhaupt keine Steuern zahlt. Ob es nun an Kinderfreibeträgen, anderen günstigen Verrechnungen oder schlicht am geringen Einkommen liegt: Jedenfalls leben sie mit dem steuerfreien Existenzminimum. Bei Eltern mit drei Kindern sind es sogar 60 Prozent. Sie alle können also auch nichts absetzen. Sie können mit dem Gummitierchen, um das die Koalition streitet, absolut überhaupt nichts anfangen.

Die SPD will gerne, dass alle Doppelverdiener ihre Betreuungskosten ab dem ersten Euro absetzen können, bis zu einer Grenze von etwa 1.500 Euro. Das klingt demokratisch, bedient faktisch aber die Mittelschicht – denn der Rest zahlt ja keine Steuern. Aber auch der Mittelschicht bringt das Modell „Absetzbarkeit“ nicht wirklich viel.

In Berlin etwa zahlt eine Familie mit einem Jahreseinkommen von 20.000 Euro für einen Ganztagsplatz 300 Euro im Jahr. Sie kann auch nur 300 Euro absetzen. Sie rechnet ihr zu versteuerndes Einkommen also auf 19.700 Euro herunter. Und zahlt pro Jahr damit ganze 64 Euro weniger Steuern als heute.

Verdient die Familie jährlich 50.000 Euro, zahlt sie 2.220 Euro für den Ganztagsplatz und kann davon 1.500 Euro absetzen. Sie spart dafür 440 Euro an Steuern. Vier Fünftel der Kosten hat sie damit immer noch selbst getragen. Da pfeift viel, viel Luft aus dem Gummitier.

Nun zerrt die CDU aber ohnehin in eine andere Richtung: Ihr geht es darum, dass Arbeitsplätze im Haushalt geschaffen würden. Deshalb will man die Familien auch nicht die ersten 1.000 Euro absetzen lassen, sondern erst eine höhere Summe. Damit wären die Kitakosten weiterhin Privatsache, die Kinderfrau im Haus dagegen sollte steuerlich interessant werden.

Aber, oje, hier wird das Gummitier noch kleiner als bei der SPD. Denn wer beschäftigt überhaupt eine Kinderfrau? „Man schätzt, dass nur etwa 6 Prozent der Familien mit Kindern eine Tagesmutter oder Kinderfrau nutzen“, sagt Katharina Spieß, die Kinderbetreuungsexpertin vom DIW. Und darin sei die Schwarzarbeit schon enthalten. „Die Familien kaufen eher stundenweise Betreuung zusätzlich zur Kita ein“, erklärt Spieß. Sie sieht die 460 Millionen Euro besser angelegt, wenn man direkt Betreuungsagenturen für alle unterstützte, statt das Geld in einigen Großverdienerhaushalten versickern zu lassen.

Versickern ist das Stichwort: Denn für solche Haushalte sind die maximal 3.000 Euro im Jahr, die die CDU absetzbar machen will, echte Peanuts. „Wenn es pro Monat 3.000 Euro wären, dann wäre das ein interessantes Modell“, so Karl-Heinz Schichl von der Hauspersonalfirma „Agentur ohne Grenzen“. Aber wenn eine Familie jährlich 24.000 Euro für ein Kindermädchen zahle, dann sei es für sie kein Anreiz, wenn davon 3.000 Euro absetzbar wären. Eine Familie, die 80.000 Euro im Jahr verdient, könnte damit gut 1.000 Euro weniger Steuern zahlen. Ein nettes kleines Geschenk, wenn die Kinderfrau das 24fache kostet.

Als wäre also das Gummitier nicht ohnehin schon arg zerknautscht und wenig attraktiv, will die Union, vor allem die CSU, nun auch noch, dass es auch Alleinverdienerfamilien zugute kommen soll. Gut die Hälfte aller Mütter mit zwei Kindern bleibt eine Weile zu Hause, weil sie die Kinder betreut. All diese Familien sollen also auch noch Betreuungskosten absetzen können, wenn etwa schon ein Kind in die Kita geht, das zweite aber noch zu Hause ist.

Man schätzt, dass die Hälfte der 460 Millionen Euro bei Alleinverdienerfamilien landen würde. Damit aber wird die Summe, die die einzelne Familie absetzen kann, geringer und geringer. Die CSU etwa sieht vor, dass jede Familie erst Kosten ab 700 Euro absetzen kann. Damit sind die vielen Halbtagskitaplätze der Alleinverdienerfamilien gar nicht erfasst.

Hätten nicht alle mehr davon, wenn sie einen schönen, bezahlbaren Ganztagskitaplatz bekämen oder billige Betreuungsgutscheine, mit denen sie eine passgenaue Betreuung einkaufen könnten? Das Gummitier, so ist zu hoffen, wird bald seine letzte Luft verloren haben – und dann ist es für die SPD und die Union einfach nicht mehr interessant. Man weiß ja, wie Kinder so sind.

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