LIEBESERKLÄRUNG: Obama
WAR ALLES EIN IRRTUM? IST DAS NOCH UNSER BARACK? ZIEMLICH TRAURIGE FRAGEN EINES ZWEIFELNDEN VEREHRERS
Ach Obama! Haben wir uns wirklich so missverstanden? Hast Du, als Du von „Transparenz“ gesprochen hast, ehrlich uns gemeint? Also, uns, im Sinne von: Alle? Habe ich mich so geirrt, als ich dachte, Du meintest die US-Regierung. Also: Deine Regierung?
Ich habe ja nie so genau wissen können, was ihr da alles macht in Washington. Aber Du – Du wusstest offenbar immer ganz genau, was wir machen. Also wir Journalisten, zum Beispiel, wenn uns mal jemand Informationen zukommen lässt. Dann lässt du die Kollegen von AP abhören. Das ist doch Mist, und das weißt Du doch, Obama.
Du hast schon ganz früh im Wahlkampf 2007/8 versucht, der Regierung, also dem Staat, wieder eine andere Rolle zuzuschreiben als unter Deinem Vorgänger. Immer wieder hast Du davon gesprochen, dass der Kapitalismus – naja, so hast Du das natürlich nicht genannt – eingehegt gehört; dass alle eine faire Chance verdienen und dass ungezügelte Gier als treibende Kraft einer Gesellschaft nicht reicht. Das fand ich gut! Und ein bisschen was hast Du ja auch unternommen. Aber was ist dann passiert?
Ich weiß schon, es gibt in Deinem Land eine ganze Menge Leute, die finden Bundesregierung überhaupt doof. Sie wollen keine Waffenkontrolle, sie wollen keine irgendwie staatlich garantierte Gesundheitsversicherung, und sie fürchten andauernd, dass die Regierung, erst recht wenn so jemand Präsident ist wie Du, übergriffig und totalitär wird und ihre Freiheitsrechte beschneidet. Was für Doofmänner! Aber, ähm, könntest Du, ich meine, also: Verdammt! Gib ihnen doch nicht noch Recht!
Willst Du wirklich die Ron und Rand Pauls stärker machen, den Rechtslibertären neuen Zulauf verschaffen, deren verquere Ideologie eigentlich auf den Müllhaufen gehört? Willst du die große Allianz von rechter Tea Party und linker ACLU hinbekommen? Soll es wirklich das sein, wofür Deine Präsidentschaft am Ende in den Geschichtsbüchern steht: Barack Obama, derjenige, der Whistleblower bekämpfte wie kein anderer und ganz leise den „Krieg gegen den Terror“ auf eine neue Qualitätsstufe hob?
Du bist doch nächste Woche in Berlin, Obama. Bitte sag Deinen Gästen, dass ich mich irre. BERND PICKERT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen