: Soziale Schieflage bei Neubauten
MIETEN Die Wohnungswirtschaft rügt steigende Baukosten für Energieeinsparungen. Mietenanstieg vor allem in den Metropolen
AXEL GEDASCHKO, BUNDESVERBAND DEUTSCHER WOHNUNGS- UND IMMOBILIENUNTERNEHMEN
VON BARBARA DRIBBUSCH
BERLIN taz | Wohnungen in den Ballungsgebieten werden knapp – doch der Neubau in Deutschland ging im vergangenen Jahr um 1,7 Prozent zurück. Insgesamt seien die Rahmenbedingungen für Investitionen in den vergangenen zwei Jahren unsicherer geworden, sagte Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) am Montag in Berlin. Der Mietwohnungsbau liege seit dem Jahr 2000 „dauerhaft unter Bedarf“.
Laut einer von der GdW vorgestellten Prognose fehlen etwa in München 9.600 Neubauwohnungen, in Berlin 16.000 und in Hamburg 7.500. In diesem Jahr rechnet der GdW allerdings in Deutschland mit einem Boom: Erwartet werden 34 Prozent mehr an Neubauinvestitionen als im vergangenen Jahr.
Der Neubau hat allerdings eine soziale Schieflage. Bei Luxuswohnungen gebe es genügend Neubau, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko. Im mittleren und niedrigeren Preissegment lohne sich das Bauen kaum, da die Baukosten beständig gestiegen seien, auch bedingt durch die Vorschriften zur energetischen Sanierung, so der Präsident. Legt man die Baukosten auf die Miete um, errechnete die GdW eine Nettokalt-Quadratmetermiete von fast 10 Euro für einen ungeförderten Neubau.
Kostensteigerungen von 58 Prozent für die Rohrdämmung und 48 Prozent für Wärmepumpen seit dem Jahr 2000 lassen zudem den Verdacht aufkommen, einige Baufirmen verdienten satt am Klimaschutz. Gedaschko forderte eine „Kostenkommission“, die sich mit diesen zweifelhaften Preissteigerungen befasst.
Der Verbandspräsident sprach sich zudem für mehr Wohnraumförderung für Einkommen „am oberen Ende des unteren Einkommensdrittels“ aus. So könnten Städte etwa öffentliche Grundstücke nicht mehr nach Höchstpreis, sondern nach Konzept vergeben, wenn die Investoren im Gegenzug bezahlbaren Wohnraum schafften.
Gedaschko wies allerdings darauf hin, dass nur in 70 der 386 deutschen Kreise die Mietpreise bei Wiedervermietungen im Jahre 2012 um mehr als 4 Prozent gestiegen seien. Vor allem in den Metropolen und einigen Universitätsstädten wurde es teurer. Demgegenüber gibt es vor allem Regionen im Osten, in denen die Mieten gesunken sind. Hier forderte der Präsident mehr Mut zum Abriss. Der GdW vertritt rund 3.000 Wohnungsunternehmen, darunter auch kommunale und genossenschaftliche Träger. Die GdW-Mitglieder besitzen rund ein Drittel der deutschen Mietwohnungen.
Der Verbandspräsident rügte die Vorschläge von SPD und Grünen, bei Wiedervermietungen in Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt nur noch Mietpreise zu erlauben, die nicht höher liegen als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Eine solche Vorgabe hemme Investitionen, so Gedaschko. Er nannte das Beispiel einer Altbauwohnung, in der etwa nach dem Tod der langjährigen Bewohnerin der Besitzer keine aufwendige und teure Modernisierung machen könnte. Die Grünen-Mietexpertin Daniela Wagner sagte jedoch der taz, nach einer Modernisierung sei es möglich, höherwertige Mietwohnungen im Mietspiegel als Vergleichsbasis heranzuziehen und entsprechend eine höhere Miete zu verlangen. „Damit orientiert sich die Mietobergrenze an dem bestmöglich erzielbaren Preis für die Wohnung entsprechend ihrer Vorzüge“.
Meinung + Diskussion SEITE 12
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