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vor ortMICHAEL KLARMANN über Umweltschützer, die für angemalte Bagger in Hambach zahlen sollen

Glaubt man Greenpeace-Anwalt Michael Günther, könnte vor dem Landgericht Aachen Geschichte geschrieben werden. Denn während der Energiemulti RWE Power die Umweltschutzorganisation verklagt hat und mit so drögen Begriffen wie Schadensersatz, Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung jongliert, wittert Justiziar Günther eine Grundsatzentscheidung. Dürfen Umweltschützer, darf darf Greenpeace eigenwillig Umweltpolizei spielen? Die Organisation hatte einen Braunkohlebagger von RWE besetzt. „Unsere einzige Art der Gegenwehr in einer Notstandslage,“ sagt Günther. RWE trage zur Klimakatastrophe bei, die Todesopfer fordere und zu Flut- und Sturmkatastrophen führe.

Ende letzter Woche trafen sich die Rechtsanwälte von RWE und Greenpeace zum zweiten Mal in dieser Sache im Gerichtssaal. Hintergrund des Verfahrens ist die Besetzung des 96 Meter hohen Schaufelradbaggers Nummer 289 im Tagebau Hambach im Kreis Düren. Rund 50 Greenpeace-Aktivisten hatten dort im Mai 2004 für den Ausstieg aus der Energiegewinnung durch Braunkohle demonstriert. Rund 25 der Aktivisten hatten besagten Bagger vier Tage lang besetzt, besprüht und mit Transparenten „Kohle zerstört das Klima“ verziert. RWE fordert nun für den Produktionsausfall und den bemalten Bagger 71.000 Euro von Greenpeace .

Nun wäre Greenpeace nicht Greenpeace, wenn irgend jemand in der Hamburger Zentrale schnöde ein Überweisungsformular ausfüllen würde. Ein Rechtsstreit entbrannte und ein erster Erörterungstermin vor der Kammer scheiterte im August 2005. Zudem wanderten Schriftsätze zwischen den Parteien und der Kammer hin und her. Unterdessen haben die Umweltschützer sich entschieden, RWE an seine Verantwortung zu erinnern. Der Essener Energiekonzern sträubt sich gegen die Politisierung des Verfahrens. Der Düsseldorfer RWE-Justiziar Jürgen Mark erinnerte vorsorglich daran, dass der Saal 317 des Aachener Landgerichtes kein „politisches Forum“ sei. Die Aktion sei rechtswidrig gewesen, auch wenn es um den Klimaschutz gegangen sei.

Greenpeace-Anwalt Günther aus Hamburg sah das naturgemäß anders. Gerade die vier RWE-Kraftwerke im rheinischen Braunkohlerevier seien die größte Kohlendioxidquelle Europas, betonte Günther. Dieser massive CO2-Ausstoß trage zur Klimakatastrophe und den enormen volkswirtschaftlichen Schäden bei. Daher habe die Aktion im Sinne einer „Notstandslage“ stattgefunden. Bei Unfällen und Katastrophen dürften Menschen zur Rettung Gefährdeter schließlich auch Privatgrund betreten, argumentierte Günther spitzfindig. Und erinnerte süffisant an das vorangegangene Strafverfahren gegen einen Besetzer: Ein Jülicher Amtsgericht sprach ihn von den Vorwürfen des Hausfriedensbruchs und der Sachbeschädigung frei. Und immerhin hatten die beklagten Besetzer den Bagger rosa angemalt.

Das Landgericht Aachen hat die ihm aufgetragene Grundsatzfrage vorerst vertagt. Mitte März geht der Prozess zwischen Ökos und Multis weiter.

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