piwik no script img

Bremen will das Meer überwachen

INDUSTRIE Bremer Rüstungs- und Raumfahrtfirmen gründen einen „Kompetenzcluster“, um zu Marktführern bei der Überwachung der Häfen und Ozeane aufzusteigen. Alte Rivalitäten sollen künftig zurückstehen

VON CHRISTIAN JAKOB

Die Geschäftsfelder gleichen sich, doch Rivalitäten sollen künftig zurückstehen. Bremens Rüstungs- und Raumfahrtindustrie will kooperieren, um den Standort als „Kompetenzcluster für Maritime Sicherheit und Überwachung“ zu etablieren. Fünf Großunternehmen unterzeichneten gestern eine entsprechende Absichtserklärung.

„Seit langem arbeiten wir daran, die Bereiche Raumfahrt und Seeverkehr zu verbinden“, sagte der Geschäftsführer der Bremer Wirtschaftsförderung (WFB), Andreas Heyer. Die Sicherheit der Meere sei „Zukunftsthema“ und Bremen „dabei eins der Zentren“, ergänzte Wirtschafts-Staatsrat Heiner Heseler. Synergien soll die vereinbarte Zusammenarbeit bringen – und Subventionen. „Die Hauptfrage war: Wie kommen wir an Geld aus Brüssel und Berlin?“, sagte Projektleiter Kai Stührenberg.

Schon seit Jahren bringt sich Bremen, Heimat diverser Satelliten-, Flugzeug- und Rüstungsfirmen, als Standort für die so genannte „Erdfernerkundung“ in Stellung. 1998 startete die EU die „Global Monitoring for Environment and Security“ (GMES)-Initiative, um Satellitendaten für Umweltschutz- und Sicherheitszwecke zu bündeln. Viel Geld ist hier im Spiel und Bremer Firmen waren am Aufbau von GMES maßgeblich beteiligt. „Wir wollen eine Zentrale des GMES-Betriebs werden“, sagt Heseler. Seit langem verhandele man mit der EU, der Kompetenzcluster soll „neue Argumente“ liefern.

Wohin die Forschungsmittel dann fließen sollen, das beschrieben gestern die Geschäftsführer der beteiligten Unternehmen. Atlas Elektronik etwa, traditionell auf die Ausrüstung von Kriegsschiffen spezialisiert, ist im Kompetenzcluster für „Verkehrssicherheit“ zuständig. „Wir überwachen Küsten und Häfen und haben da schon heute einen großen Marktanteil in China“, sagt Atlas-Chef Dieter Rottsieper. Bislang war man hier mit ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugen im Geschäft, künftig sollen die U-Boot-Drohnen „komplett selbständig vorprogrammierte Missionen abfahren können“, sagt Rottsieper und hofft auf Interesse bei Küstenwachen und Hafenbehörden.

Unbemannte Aufklärungssysteme will auch Rheinmetall Defence Electronic, einer der größten deutschen Rüstungskonzerne und im Cluster für „Ressourcensicherheit“ zuständig, vermarkten. Seit neun Monaten sei ein unbemanntes Flugsystem von Rheinmetall in Afghanistan im Einsatz. Demnächst wird die Weiterentwicklung einer israelischen Drohne getestet. Bloßes Verkaufen ist Rheinmetall nicht genug, am liebsten möchte man zum Subunternehmer des Militärs aufsteigen. „Wir wollen als Betreiber schlüsselfertige Lösungen anbieten“, sagt Geschäftsführer Georg Morawitz. Und weil es nicht leicht ist, hier einen Fuß in die Tür zu bekommen, sieht er „unmittelbaren Bedarf, um in Bremen die Interessen von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zusammen zu bringen“.

Auch die Satellitenschmiede OHB hat große Pläne. „Bisher beobachten unsere Satelliten Schiffe, Verkehr und sonstige Bewegungen per Radar“, sagt Vorstand Frank Merkle. Das funktioniert zwar auch nachts, gibt aber nur begrenzte Auskunft. Künftig will OHB Satelliten für den so genannten Hyperspektralbereich vermarkten. Deren Bilder sollen detaillierte Aussagen etwa über Wasserverschmutzung ermöglichen. Außerdem bastelt OHB an einer „lokalen“ Aufklärungsdrohne namens „Condor II“. Die wurde bereits im Rahmen eines Nato-Manövers zur Verteidigung von Häfen gegen Terroranschläge getestet. „Da gibt es technologische Verwandtschaft zu den unbemannten Unterwasserfahrzeugen“, sagt Merkle, dessen Firma im Cluster „Leadpartner für Umweltsicherheit“ ist.

EADS Astrium erhofft sich, mit staatlicher Hilfe in den USA die Anerkennung seines neuen Satelliten-Containerüberwachungssystems Secure zu erreichen. Gelänge dies, könnten sich Secure-Abnehmer sparen, für die USA bestimmte Container wie ab 2012 vorgeschrieben schon im Starthafen röntgen zu lassen. Die auch beteiligte Beluga-Reederei hofft, Instrumente zur besseren Analyse von Meeresströmungen zu entwickeln – und zur Abwehr von Piraten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen