: Obamas Klimaretter heißt Erdgas
ÖKOLOGIE Der Kohlendioxid-Ausstoß in den USA soll sinken. Auf erneuerbare Energien setzt der Präsident dabei eher nicht
AUS WASHINGTON UND BERLIN D. HAHN UND M. REEH
Barack Obama wählte eine Symbolik, die jedem Amerikaner klarmacht: Es geht um was ganz Großes, um eine Heldentat. Die lang erwartete klimapolitische Grundsatzrede des US-Präsidenten unter freiem Himmel vor einem mehrheitlich jungen Publikum an der Georgetown University in Washington begann und endete mit dem Blick vom Mond auf die Schönheiten der Erde.
Genau wie letzte Woche hinter der kugelsicheren Scheibe in Berlin, zog Obama aus diesmal sein Jackett aus. Wischte sich vielfach den Schweiß vom Gesicht. Sprach von Rekordhitzejahren, Rekorddürre, Rekordstürmen und Waldbränden und von dem ansteigenden Meeresniveau. Berief sich auf die Verpflichtungen gegenüber den kommenden Generationen. Und kündigte dann eine Klimaschutzinitiative an, die viele Beobachter mehr erhofft als erwartet hatten, seit der Versuch einer nationalen Gesetzgebung in seiner ersten Amtszeit im Kongress gescheitert war – am hartnäckigen Widerstand der Republikaner und einiger Demokraten vor allem aus den Kohlestaaten.
Für den Kernpunkt des Programms ist die Environmental Protection Agency (EPA), die Umweltbehörde der USA, zuständig. Sie soll zukünftig allen alten Kraftwerken Standards für den Ausstoß von Kohlendioxid vorschreiben. Rund 30 Prozent der amerikanischen Treibhausgase stammen aus dem Betrieb von Kraftwerken zur Stromerzeugung.
Die Umsetzung des Plans dürfte jedoch nicht einfach werden. Der Oberste Gerichtshof der USA hat zwar schon 2009 grundsätzlich bestätigt, dass Obamas Weg einer Regulierung über die EPA – womit der Kongress umgangen werden kann – zulässig ist. Hauptproblem ist aber der Zeitrahmen: Die EPA hat muss zunächst in einem monatelangen Prozess Standards entwickeln, gegen die die Energiewirtschaft vermutlich Klagen einreichen dürfte.
Die New York Times hält es für möglich, dass die EPA nicht einmal bis zum Ende von Obamas Amtszeit im Januar 2017 über anwendbare Richtlinien für Alt-Kraftwerke verfügt. Bereits jetzt liegt die EPA hinter ihrem Zeitplan bei Kohlendioxid-Standards für neue Kraftwerke, die die Obama-Administration schon zu einem früheren Zeitpunkt beschlossen hatte. Diese sollten schon im April 2013 fertig sein, sind es aber aufgrund von Einsprüchen der Energiekonzerne bis heute nicht.
Dennoch fielen die Reaktionen in Deutschland lagerübergreifend positiv aus: „Letzte Woche Obamas Rede in Berlin über Klimaschutz. Heute hat er konkrete Maßnahmen vorgelegt. Wenn’s so weitergeht, wird’s richtig gut!“, twitterte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU). Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Hermann E. Ott, sprach von einem „kühnen Alleingang“ des US-Präsidenten. Regina Günther, Klimaexpertin der Umweltschutzorganisation WWF, sagte, Obama demonstriere, „dass er sich von der fossilen Lobby und den Klimawandelskeptikern im eigenen Land nicht länger vorführen“ lasse.
Zu den Details der Obama-Initiative äußerten sich alle drei kaum. Sie dürften deutschen Umweltschützern wenig behagen. So lobte der US-Präsident den Neubau zweier Atomkraftwerke in Georgia und South Carolina als Beitrag zum Klimaschutz und blieb vage in der Frage, ob die umstrittene Keystone-XL-Pipeline genehmigt wird. Sie soll Öl aus dem Westen Kanadas in den Golf von Mexiko bringen.
Am problematischsten ist die Gasstrategie Obamas, die durch den Schiefergasboom in den USA ermöglicht wird. Kohlekraftwerke sollen mittels der EPA-Regulierung durch neue Gaskraftwerke ersetzt werden. Obama setzt aber zugleich auf den Export der Gastechnologie: „Um Ländern zu helfen, schneller auf saubere Energiequellen umzusteigen, werden wir mit dem privaten Sektor zusammenarbeiten, um dessen technologisches Know-how für den Umstieg auf Erdgas zu verwenden“, sagte er.
Das könnte den Umstieg auf erneuerbare Energien, die in Obamas Rede nur eine untergeordnete Rede spielten, deutlich verlangsamen. Die US-Exportstrategie für billliges Gas dürfte dann in Konkurrenz etwa zur Exportstrategie des deutschen Erneuerbaren-Sektors stehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen